Die Belastung durch Chemikalien ist weltweit zu hoch
Chemikalien werden heute für sehr unterschiedliche Zwecke eingesetzt, beispielsweise für Pharmazeutika, Pestizide, Zwischenprodukte bei der industriellen Produktion, Chemikalien in Verbrauchsprodukten und Plastikzusätzen. Die Forschenden Martin Scheringer und Ralf Schulz haben das Wissen zu all diesen Stoffgruppen zusammengetragen. Sie zeigen auf, wo jeweils die wesentlichen Problembereiche mit Blick auf Mensch und Umwelt liegen. Die Publikation ist in der 50. Ausgabe der Fachzeitschrift Annual Review of Environment and Resources erschienen.
«Pestizide zeichnen sich durch eine sehr hohe Toxizität aus. Das macht eine umfangreiche Bewertung der tatsächlich in der Umwelt verbleibenden Wirkstoffe und Wirkstoffkonzentrationen notwendig. Wir wissen heute, dass in Gewässern zum Beispiel sehr viele Pestizide in Konzentrationen vorkommen, die oberhalb der Werte liegen, die für Ökosysteme unbedenklich sind», erklärt Umweltwissenschaftler Ralf Schulz uas Kaiserslauten-Landau . «Wir haben ein elaboriertes System zur Risikobewertung von Chemikalien aufgebaut, aber es ist nicht wirksam genug: Die erhobenen Daten sind unzureichend und die Risiken werden erst nach Jahren und Jahrzehnten, in denen eine Substanz im Gebrauch ist, erkennbar – PFAS sind ein solcher Fall», ergänzt Martin Scheringer von der ETH Zürich. Er fordert daher eine grundlegende Änderung des Bewertungsverfahren für Chemikalien. Nur damit hätte die Bevölkerung eine Chance, die Risiken dieser in der Umwelt verbleibenden Chemikalien zu erkennen und zu verstehen.
“Ohne eine grundlegende Änderung des Bewertungsverfahren für Chemikalien wird die Bevölkerung weiterhin unerkannten und unverstandenen Risiken durch Chemikalien ausgesetzt bleiben.”
PFAS reichern sich zunehmend in der Umwelt an
Bei den Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) ist die Toxizität nicht akut wie bei Pestiziden, sondern chronisch (langfristig). In Verbindung mit extrem langen Halbwertzeiten – viele PFAS werden selbst über Jahrzehnte nicht in der Umwelt abgebaut – ist diese chronische Toxizität ein grosses Problem. Mit der Zeit reichern sich PFAS in der Umwelt so stark an, dass sie bedenkliche Konzentrationen erreichen. Heute wissen wir, dass PFAS für den Menschen eine Vielzahl gesundheitlicher Probleme mit sich bringen können. In vielen Fällen könnte deren Einsatz gänzlich entfallen bzw. die gewünschten Effekte von PFAS könnten durch alternative, weniger problematische Chemikalien erreicht werden.
Weniger Chemikalien für mehr Kontrolle
Wenn alle Chemikaliengruppen gemeinsam betrachtet werden, erkennt man: Die grösste Herausforderung besteht in der zunehmenden Zahl von Chemikalien und den damit einhergehenden Schwierigkeiten, deren Risiken überhaupt adäquat zu beurteilen. Scheringer und Schulz schlagen deswegen einen Kurswechsel vor, der darauf abzielt, die Anzahl an produzierten und eingesetzten Chemikalien zu reduzieren, um so die regulatorische Kontrolle über die möglichen Auswirkungen für Mensch und Umwelt sicherzustellen.
Substanzen, die langlebig und zudem toxisch sind, müssten grundsätzlich eingeschränkt werden. Ausnahmen seien wenige Anwendungen – bei PFAS etwa in manchen Medizinprodukten, für die es aktuell keinen guten Ersatz gibt. Zudem brauche es für die notwendigen Innovationen in der chemischen Industrie Impulse aus der Politik, um entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Nicht zuletzt sei es essenziell, die Chemikalienbelastung, wie auch den Klimawandel, auf globaler Ebene und durch internationale Organisationen in den Fokus zu nehmen, da es sich um eine globale Umweltveränderung handelt.
Hier gibt es die Studie.