Synthetische Biologie: Wissenschaftsakademie legt Report vor
10.12.2012
„Synthetische Biologie ist ein junges und unscharf umrissenes Forschungsfeld. Auch bei den beteiligten Wissenschaftlern existiert derzeit kein Konsens über die Definition“, sagte der Kasseler Biophilosoph Kristian Köchy bei der Vorstellung des Themenbandes vor Journalisten in Berlin. Köchy ist Mitglied der elfköpfigen interdisziplinären BBAW-Arbeitsgruppe „Gentechnologiebericht“ und ist Herausgeber des aktuellen Themenbandes, der in den vergangenen anderthalb Jahren entstanden ist. Das Buch geht der Frage nach, ob „Synthetische Biologie“ tatsächlich eine ganz neue Disziplin ist, oder aber bloß ein neues Etikett für eine Weiterentwicklung der modernen Gentechnologie. Die Synthetische Biologie nutze nicht nur die Methoden der Gentechnologie, sondern sei eng verzahnt mit der Chemie, der Nanobiotechnologie und dem Ingenieurwesen. „Diese disziplin- und methodenübergreifende Qualität ist sicher ein besonderes Kennzeichen“, so Köchy. Ein weiteres charakteristisches Merkmal für die Disziplin sei die Anwendung ingenieurwissenschaftlicher Konstruktionsprinzipien und ein entsprechender Denkstil. Mehr zur Geschichte, Ethik und Philosophie Der Themenband „Synthetische Biologie. Entwicklung einer neuen Ingenieurbiologie?“ ist ein 290 Seiten starkes Werk geworden. Es informiert über den aktuellen Stand der Forschung, analysiert die philosophische Tragweite, thematisiert ethisch relevante Fragen und untersucht die öffentliche Darstellung und Akzeptanz der Synthetischen Biologie in Deutschland. Der nun vorgelegte Themenband trage noch mehr Informationen zusammen, so zum Beispiel auch eine historische Einordnung des Begriffs und eine philosophische Betrachtung, so Köchy. Phase der Ernüchterung eingekehrt Der Potsdamer Molekularbiologe Bernd Müller-Röber betonte, die Forscher im Labor seien noch weit davon entfernt, so etwas wie künstliche Lebensformen zu erschaffen. „Wir reden hier vielmehr von Grundlagenforschung an Mikroorganismen“, sagte der Sprecher der Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht. Insbesondere in den USA sei ein Hype um die Synthetische Biologie entstanden, den schillernde Figuren wie der Genom-Pionier Craig Venter befeuert hätten. Forscher wie der MIT-Ingenieur Chris Voigt spiegelten den Denkstil der Synthetischen Biologe wider. Voigt versucht, Zellen mit einer großen Zahl an genetischen Schaltkreisen zu logischen Operationen zu befähigen – ähnlich wie beim Software-Engineering. „Insgesamt ist die Synthetische Biologie aber mittlerweile nach anfänglicher Euphorie in einer Phase der Ernüchterung angekommen“, sagt Nediljko Budisa, Chemiker von der Technischen Universität Berlin. „Eine Zellmembran ist nun mal kein Transistor“, so der Chemiker. „Die Ingenieure erkennen, dass Veränderungen viel stärker vom biologischen Kontext abhängen.“ Auch Müller-Röber hat beobachtet, dass in der Wissenschaftsgemeinde eine „Konsolidierung“ einsetzt. „In Deutschland wird da an sehr soliden Fragestellungen gearbeitet“, sagte er. Vorerst keine völlig neuen ethischen Problemfelder Erfordert die Herangehensweise der Synthetischen Biologie eine neue ethische Debatte, die über jene zu biotechnologischen Innovationen allgemein hinausgeht? Das sei derzeit noch offen, sagte Köchy. Erst wenn der Forschungszweig seine momentan rein gentechnologische Dimension überschreite, könnten sich neue ethische Problemfelder ergeben. Auch die von einigen Akteuren erklärte Absicht, Leben neu zu konstruieren, habe ethische Relevanz, auch wenn dies faktisch derzeit wenig überzeugend sei. Auch aus rechtlicher Sicht fällt die gegenwärtige Forschung zur Synthetischen Biologie in den rechtlichen Rahmen für gentechnologische Forschung, so der Bericht. Die Autoren plädieren zudem dafür, wissenschaftspolitische Regelungen für Forschung, Patente und Anwendungen der Synthetischen Biologie sollten von einem offenen und transparenten gesellschaftlichen Diskurs begleitet werden. Quelle: biotechnologie.de/pg