Evonik Industries ist es im Labor erstmals gelungen, reine 2‑Hydroxy-Isobuttersäure, kurz 2‑HIBS, biotechnologisch aus Synthesegas unter industriellen Bedingungen zu erzeugen. 2‑HIBS ist ein Vorprodukt für den Kunststoff PLEXIGLAS®. Synthesegas lässt sich beispielsweise aus Abgasströmen gewinnen. „Wir haben gezeigt, dass es einen sicheren Weg geben kann, künftig unterschiedliche Produkte aus Synthesegas mit Hilfe von Bakterien herzustellen“, sagt Dr. Peter Nagler, Chief Innovation Officer von Evonik. Neben 2‑HIBS für die Kunststoffindustrie könnten das deren Derivate für die Kosmetikindustrie oder etwa C4-Alkohole für die Lackindustrie sein. Synthesegase sind Gasgemische hauptsächlich aus Kohlenmonoxid oder Kohlendioxd und Wasserstoff. Sie können aus kommunalen oder Agrarabfällen erzeugt werden und fallen als Industrieabgase zum Beispiel bei der Stahlproduktion an. Synthesegas wird seit Jahrzehnten in der chemischen Synthese eingesetzt. Die Fähigkeit, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Wasserstoff in höherwertige Moleküle zu verwandeln, hat Evonik Bakterien der frühesten Erdgeschichte abgeschaut — der Zeit, als in der Erdatmosphäre noch kein Sauerstoff vorhanden war. Die genetische Information für diese Prozesse ist heute noch in bestimmten Mikroorganismen vorhanden. Evonik nutzt deren Enzyme, um eine Zellfabrik zu gestalten, die aus Synthesegas Spezialchemie macht. Die Wissenschaftler bei Evonik arbeiten jetzt mit Hochdruck daran, diese Idee zu optimieren und weiterzuentwickeln. „Der Weg zum industriellen Produktionsprozess in großem Maßstab, in dem mit Hilfe von Bakterien aus Synthesegas hochwertige Spezialchemie wird, ist lang“, sagt Dr. Thomas Haas, Leiter der Biotechnologie in der Creavis, der strategischen Innovationseinheit von Evonik. „Bis zur Marktreife werden noch einige Jahre ins Land gehen.“ Evonik sieht in der Biotechnologie ein Innovationsfeld mit großem Potenzial. Das Spezialchemieunternehmen stellt bereits heute hochwertige Produkte biotechnologisch her. Diese Industrielle Biotechnologie der ersten Generation setzt Pflanzenöle, Getreide oder Zucker als Rohstoff für die Fermentation ein. Evonik erzeugt so unter anderem Aminosäuren und kosmetische Inhaltsstoffe. Die ersten Anlagen zur Biotechnologie der zweiten Generation werden gerade gebaut und verwenden Pflanzenreste aus der Land- und Forstwirtschaft. Evonik hat hier nur wenige Aktivitäten und wendet sich gleich verstärkt der dritten Generation zu. Haas sagt: „Wir forschen an der dritten Generation der Biotechnologie, da diese neben Zucker oder Pflanzenresten nach der Umwandlung in Synthesegas auch Abfallstoffe anderen Ursprungs, wie kommunale Abfälle oder Industrieabgase, als Rohstoff nutzen könnte. So werden wir unabhängiger von fossilen, aber auch von einzelnen nachwachsenden Rohstoffen, die eventuell in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen.“ 2‑HIBS lässt sich auch chemisch herstellen. Sowohl das chemisch als auch das biotechnologisch hergestellte Produkt lassen sich weiter in Methylmethacrylat (MMA) verwandeln. MMA steckt in Lacken, Farben und Rostschutzanstrichen, in weichen Kontaktlinsen und in Zahnimplantaten. Aus Polymethylmethacrylat (PLEXIGLAS®) entstehen Platten und Profile, Dächer und Schallschutzwände ebenso wie Formteile für den Automobilbau oder Backlight Units für die Beleuchtung von Flachbildschirmen. Evonik ist einer der größten Produzenten von MMA. Die Forschungsarbeiten werden teilweise durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Quelle: idw