Brand in der Cyclododecatrien (CDT)-Anlage im Chemiepark Marl — eine kurze Meldung der Evonik, die hohe Wellen schlug. Die intensiven Reaktionen darauf demonstrieren wie wichtig eine sichere Rohstoffversorgung für die Industrie ist. So wichtig, dass sich weltweit führende Automobilhersteller nach diesem Vorfall zu einer außerplanmäßigen Beratung trafen. Denn CDT, ein Polyamid 12 (PA12), dient als Ausgangsstoff zur Kunststoff-Herstellung und wird besonders im Automobilbau eingesetzt. „PA12 spielt in der Industrie eine wichtige Rolle — und zeigt, wie anfällig die globale Lieferkette in Teilen ist”, berichtete dazu die Financial Times Deutschland. Drei Wochen nach dem Anlagenbrand bietet Evonik Industries verschiedene Alternativen zu PA12 an, das während der Reparatur nur in geringen Mengen zur Verfügung stehen wird. Zu den Substituten zählt unter anderem das biobasierte Vestamid Terra. Das Ereignis zeigt gleich mehrere Aspekte des Themas: Rohstoffe sind von enormer Bedeutung für das produzierende Gewerbe. Eine sichere und kontinuierliche Versorgung unverzichtbar. Ein Ersatz ist möglich, hier am Beispiel des biobasierten Vestamid Terra für den Einsatz im Automobilbau.
Politisches Engagement mit wirtschaftlichen Zielen
Eine sichere Versorgung mit Rohstoffen ist von großer Bedeutung für Unternehmen und Grundlage für industrielle Entwicklung und Wohlstand. Aus diesem Grund bewegt das Thema seit Jahrhunderten auch die Politik. „Rohstoff-Engpässe können das Wachstum in Europa gefährden. Das ist leider keine abstrakte Betrachtung mehr, sondern wird zunehmend zu einer konkreten Gefahr”, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche. Die Bunderegierung beschloss Ende Februar diesen Jahres das Programm ProgRess, das einen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen unterstützt. Im Rahmen des Programm werden konkrete Maßnahmen durchgeführt wie eine Effizienzberatung kleiner und mittlerer Unternehmen, Unterstützung von Umweltmanagementsystemen, das Einbeziehen von Ressourceneffizienz in die technische Normung und in die öffentliche Beschaffung, die Stärkung freiwilliger Produktkennzeichen und Zertifizierungssysteme und der Ausbau der Kreislaufwirtschaft.
Alternative, nachwachsende Rohstoffe
Im Jahr 2007 konnten Unternehmen mit Technologien der Energie- und Materialeffizienz weltweit fast 95 Mrd. Euro Umsatz erzielen. Bis 2020 wird ein Anwachsen des Marktes für Energie- und Materialeffizienz auf etwa 335 Mrd. Euro vorhergesagt. Treiber sind beispielsweise Biotechnologie, Biokraftstoffe und Biokunststoffe. Wesentlicher Anwender nachwachsender Rohstoffe ist die chemisch-pharmazeutische Industrie. Sie ist bei der Produktion organischer Verbindungen auf kohlenstoffhaltige Rohstoffquellen angewiesen. Schätzungsweise 2,7 Mio. Tonnen nachwachsender Rohstoffe (ca. 80 % der insgesamt in der Industrie genutzten Biomasse von insgesamt ca. 3,6 Mio. Tonnen) wurden 2008 in der chemischen Industrie eingesetzt. Das bedeutet, dass etwa 13 % der organischen Rohstoffe hier nachwachsende Rohstoffe sind. Der deutlich größere Anteil der kohlenstoffhaltigen Rohstoffquellen sind jedoch fossilen Ursprungs in Form von Naphtha, Erdgas, Öl und Kohle. Und in den letzten Dekaden ist der Zuwachs von nachwachsenden Rohstoffen zur stofflichen Nutzung eher gering ausgefallen. Dies liegt auch daran, dass die traditionellen Anwendungsgebiete für nachwachsende Rohstoffe bereits erschlossen sind und zur Erschließung neuer Anwendungen noch viel Forschung und Entwicklung notwendig ist. Die Unternehmen der chemischen Industrie arbeiten intensiv an der Erforschung und Entwicklung neuer Verfahren, die einen stärkeren Einsatz nachwachsender Rohstoffe ermöglichen.
Antworten aus der Praxis
Die Redaktion des Plastverarbeiters widmete sich dem Thema Rohstoffversorgung und ‑qualität mit einer Umfrage unter ihren Lesern. Auf die Frage nach termingerechter Lieferung von Rohstoffen stellen 76 % der Teilnehmer eine gelegentlich verspätete Lieferung von Rohstoffen fest, 5 % sogar meistens. Für die Produktion kann das eine Verzögerung bedeuten und im schlechtesten Fall auch die Kosten erhöhen. Auf die Frage nach Qualitätsschwankungen stellen 40 % der Umfrageteilnehmer mindestens hin und wieder (Stufe 4 auf einer Skala von 1 (nie) bis 6 (sehr oft) Abweichungen fest. Noch einmal etwa 30 % geben an, manchmal (Stufe 3) Schwankungen festzustellen. Qualitativ wird die Varianz von 38 % als noch tolerierbar eingeschätzt. Doch immerhin berichten 17 % von starken und 4 % von sehr starken Qualitätsschwankungen. Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis. Qualitätsabweichungen bei Rohstoffen unterbrechen eine kontinuierliche Produktionskette und führen stets zu höheren Kosten. Wichtig ist jedoch bei diesem Ergebnis die Unterscheidung der betroffenen Rohstoffe. Die größten Qualitätsvariationen stellen Kautschukverarbeiter fest. 32 % der Teilnehmer schätzen die Abweichungen als noch tolerierbar ein, doch weitere 32 % nennen die Abweichungen stark oder sehr stark. Bei anderen Kunststoffen wie TPE, Thermoplasten oder Duroplasten sind die Qualitätsschwankungen geringer. Für TPE und andere Kunststoffe stellen 50 % der Umfrageteilnehmer geringe oder keine Abweichungen fest. Von den Umfrageteilnehmern produzieren 55 % für die Automobil-industrie, 30 % für die Verpackungsindustrie und 28 % Sport- und Haushaltswaren (Mehrfachantworten waren möglich). Im Mittel schätzen die Unternehmen ein, dass etwa 45 % der Stückkosten auf Rohstoffe entfallen. Gleichzeitig sehen etwa 32 % hier Potenzial Kosten zu sparen. [gekürzt] Quelle: Plastverarbeiter