Mortierella alpina lebt im Boden und mag es eher kühl. Der zu den Jochpilzen (Zygomyzeten) gehörende Pilz gedeiht am besten bei 10 bis 15°C und kommt vor allem in alpinen oder arktischen Regionen vor. In der Biotechnologie wird der Pilz bislang genutzt, um langkettige Fettsäuren wie Arachidonsäure in großem Maßstab als Nahrungsergänzung in beispielsweise Babynahrung zu produzieren. Doch Mortierella alpina kann noch mehr: Wie ein Forschungsteam aus dem Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena jetzt herausgefunden hat, produziert der Pilz noch weitere interessante Naturstoffe. In der Fachzeitschrift „Organic Letters“ stellen die Forschenden um Dr. Markus Greßler eine Gruppe von Peptiden mit tensidischen Eigenschaften vor, die der Pilz in großen Mengen herstellt (DOI: 10.1021/acs.orglett.9b00193). Tenside sind waschaktive Substanzen, die in Wasch- und Spülmitteln zum Einsatz kommen. Dass der Pilz solche Substanzen produziert, hat Florian Baldeweg aus Greßlers Team festgestellt, als er versuchte, die kleinen Peptide aus Mortierella chemisch aufzureinigen. „Schon kleinste Mengen bilden eine regelrechte Schaumkrone auf dem Probengefäß“, sagt der Pharmazie-Doktorand. Baldeweg und Greßler haben die Struktur dieser Substanzen aufgeklärt. Bei der bisher unbekannten Gruppe von natürlichen Tensiden handelt es sich um sogenannte Malpinine. Ihre Tensidwirkung übersteigt sogar die von SDS (Sodium Dodecyl Sulfat), das in vielen gängigen Waschmitteln enthalten ist.
Wirkstofftransport durch Biomembranen
Nutzen wollen die Jenaer Pharmazeuten die natürlichen Tenside allerdings nicht, um neue Waschmittel zu entwickeln. „Wir wollen die Malpinine testen, ob sie aufgrund ihrer Eigenschaften in der Pharmakologie nützlich sein können“, erläutert Dr. Greßler. Denn mit Tensiden lassen sich nicht nur Öl und Wasser miteinander mischen. „Es können auch biologische Membranen, die zu einem Großteil aus Fetten bestehen, für Substanzen durchlässig gemacht werden“, so Greßler weiter. Dies ermögliche es beispielsweise, Arzneistoffe gezielt durch Zellmembranen zu schleusen. Gemeinsam mit Kollegen aus dem Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena um Prof. Dr. Dagmar Fischer wollen Greßler und Baldeweg die Malpinine hinsichtlich ihrer pharmazeutischen Einsatzmöglichkeiten testen.
Niedere Pilze als Naturstoff-Reservoir bisher unterschätzt
Interessant ist die Entdeckung der Naturstoffe in Mortierella alpina auch deshalb, weil niedere Pilze wie die Jochpilze bislang kaum als Produzenten sekundärer Naturstoffe wahrgenommen worden sind – im Gegensatz zu höheren Pilzen wie beispielsweise Aspergillus-Arten. Das dürfte sich nun ändern, erwartet Dr. Greßler. „Genetische Untersuchungen am Erbgut von Mortierella alpina haben gezeigt, dass der Pilz noch viel mehr Naturstoffe produzieren kann, die Malpinine sind lediglich eine kleine Gruppe davon.“ Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena/idW, Pressemitteilung, 21.06.2019