Als wären die Preise für Benzin und Diesel nicht schon hoch genug, schreckte vergangene Woche eine Meldung aus Brüssel deutsche Autofahrer hoch: Eine EU-Initiative sieht eine drastische Erhöhung der Preise für Dieselkraftstoff vor, 20 Cent mehr pro Liter müssten dann für Diesel an deutschen Tankstellen bezahlt werden. Dabei liegt der Preis schon jetzt im Schnitt bei 1,50 Euro. Je höher die Preise steigen, umso interessanter wird die Suche nach alternativen Kraftstoffen. Weit gediehen ist dabei die Forschung des Münchner Chemikers Johannes Lercher. Der Professor an der Technischen Universität (TU) München arbeitet an Verfahren, aus Algen Bio-Diesel herzustellen. Zwar sind Versuche zur Herstellung von Biotreibstoff aus Algen nicht neu und werden weltweit angestellt. Doch es geht ums Detail. Welche Algen eignen sich? Wie werden sie am kostengünstigsten gezüchtet? Was muss getan werden, um qualitativ hochwertigen Kraftstoff ohne Verunreinigungen zu erhalten? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Lercher und sein Forscher-Team.
Keine Algen aus dem Badeurlaub
Bei den zur Gewinnung von Kraftstoff verwendeten Algen handelt es sich um sogenannte Mikroalgen. Mit dem, was vielen Badegästen im Sommer am Strand die Laune verdirbt, haben sie nichts zu tun. Mikroalgen sind einzellige, frei im Süß- oder Salzwasser schwebende Mikroorganismen, die Photosynthese betreiben. Mit Hilfe von Lichtenergie verwandeln sie energieärmere in energiereichere Stoffe. Angenehmer Nebeneffekt: Dabei binden sie das klimaschädliche CO2, wie es bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Erdöl entsteht. “Unsere Algen bestehen zu 30 bis 40 Prozent aus Öl”, erklärt Lercher. “Das muss gewonnen und dann mittels eines Katalysators in Diesel umgewandelt werden.” Hier sind die Forscher einen Schritt weiter gekommen. Bislang hatte das Öl aus Mikroalgen häufig einen zu hohen Sauerstoffgehalt, schlechte Fließeigenschaften oder war mit Schwefel verunreinigt. Dank eines Katalysators aus Nickel ist es Lercher und seinem Team nun gelungen, die Qualität des so gewonnenen Treibstoffs einen entscheidenden Schritt zu verbessern.
Luftfahrt unterstützt Forschung
Weil Biodiesel chemisch eng mit dem Flugzeugtreibstoff Kerosin verwandt ist, interessiert sich auch die Luftfahrt für das Algenkonzept der Münchner Forscher. Denn auch sie sucht langfristig nach einem Ersatz für Kerosin auf Erdöl-Basis. Wie der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Das Unternehmen sieht in Algen einen zukunftsträchtigen Rohstoff für Biotreibstoffe. Das ist einer der Gründe, warum der Airbus-Hersteller mit dem Wissenschaftler Lercher zusammenarbeitet. Die Idee scheint vielversprechend. Algen können gezüchtet werden, ohne dass landwirtschaftlich nutzbare Böden oder Trinkwasser verbraucht werden. “So überwinden wir die Teller-Tank-Diskussion”, sagt EADS-Sprecher Gregor von Kursell. Damit spielt er auf die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion an, die beispielsweise den Anbau von Mais für Bio-Ethanol begleitet. Algen vermehren sich schnell und erzeugen bei gleicher Fläche 15 Mal mehr Biomasse als die Ölpflanze Raps und zehn Mal mehr als Mais. Das Öl der Mikroalgen ist außerdem sehr energiereich und kann deshalb in hochwertigen Flugsprit umgewandelt werden.
Algen “fressen” C02
Von Interesse ist die grüne Brühe auch wegen der günstigen CO2-Bilanz. Algen “fressen” CO2. Das ist vor allem für Kraftwerksbetreiber spannend. Seit sie mit Emissionszertifikaten handeln, ist die Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Das Kohlendioxid im Kraftwerksabgas kann als Futter für die Mikroalgen verwendet werden. Die Biomasse wird dann zu Biodiesel. Der Haken an der Sache sind die Reststoffe, die anfallen. Denn als Dünger oder Futtermittel lassen sie sich nur bedingt verwenden. “Die Abgase sind häufig verunreinigt, zum Beispiel mit Schwermetallen. Das sammelt sich in der Alge an und kann nicht einfach in unsere Nahrungskette zurückgeführt werden”, sagt der Chemieprofessor. Ein weiterer Nachteil sind die derzeit noch hohen Produktionskosten. Bisher werden nur kleine Mengen an Algen hergestellt, die etwa in der Kosmetik-Industrie, der Pharmazeutik oder als Nahrungsergänzungsmittel Verwendung finden. Da lässt sich ein höherer Preis leichter rechtfertigen. Die Erzeugung von Algenöl ist heute aber noch deutlich teurer als die Gewinnung von Erdöl. Das Umweltbundesamt geht sogar von einem Literpreis von 50 Euro aus. Auch wenn Experten diesen Preis nicht nachvollziehen können, rechnen sie dennoch damit, dass es noch zehn bis 20 Jahre dauert, bis die Herstellung von Treibstoff aus Algen wirtschaftlich ist.
Langfristige Investition
Dennoch ist sich Lercher sicher: “Langfristig wird sich das rechnen”. Die Rentabilität hängt dabei auch von der Verfügbarkeit von Erdöl, seiner Preisentwicklung sowie der Nachfrage nach Treibstoffen ab. “Wir bleiben an dem Thema auf jeden Fall dran”, versichert denn auch EADS-Sprecher von Kursell. “Wir müssen einen wirtschaftlich sinnvollen Weg finden, wie wir Energie aus Algen herstellen können.” Die Basis-Technologie, um die Algen zu erzeugen, ist also schon vorhanden. Nun will EADS die Entwicklung einer industriellen Produktion im großen Maßstab vorantreiben. Dass die Technologie auch in der Luftfahrt funktioniert, ist schon seit zwei Jahren klar. Damals startete auf der internationalen Luftfahrtmesse ILA in Berlin erstmals ein zweimotoriges Flugzeug, angetrieben mit Kraftstoff aus Mikroalgen. Dabei war der Verbrauch sogar geringer als mit konventionellem Treibstoff. 1,5 Liter pro Stunde konnten eingespart werden. Zudem mussten die Techniker nur kleine Änderungen an den Triebwerken des Flugzeugs vornehmen, um den Algensprit nutzen zu können. EADS bezeichnet das Projekt insgesamt als Meilenstein in der Forschung.
Fruchtbare Kooperation
“Die Strategie der EADS ist richtig”, lobt denn auch Lercher. “Wir haben einen überraschend weitsichtigen Partner.” Das Lob bezieht sich auch darauf, dass der Konzern auf die gesamte Ökobilanz achtet. “Wir arbeiten darauf hin, dass wir von der Herstellung bis zum Sprit alles im Blick haben”, sagt EADS-Sprecher von Kursell. Dem Charme der Alge erliegen mittlerweile nicht nur die Hersteller, sondern auch die Fluggesellschaften. Denn mit einem Anteil von 30 Prozent an den gesamten Ausgaben ist Treibstoff der wichtigste Kostenfaktor der Airlines. Grund genug nach Alternativen zu suchen. Zudem hat sich die Luftfahrtindustrie verpflichtet, von 2020 an den CO2-Ausstoß einzufrieren. Deshalb haben sich die Größen der Branche in der Initiative der Deutschen Luftfahrt für alternative Energien, Aireg, zusammengeschlossen. Sie wollen unter anderem herausfinden, ob die Algenproduktion eine Möglichkeit ist, Rohstoffe zur Kraftstoffherstellung auch in Deutschland anzubauen, um die Abhängigkeit von konventionellem Erdöl zu durchbrechen.
Skepsis bleibt
Forscher Lercher ist hier allerdings skeptisch. “Algen werden in Freibecken gezüchtet und brauchen Wärme. Von Oktober bis März funktioniert das bei uns nicht. In Südeuropa ist das anders.” Biokraftstoffe könnten eine zusätzliche Möglichkeit sein, um den Energiehunger der Menschheit zu stillen. EADS-Sprecher von Kursell verweist darauf, dass Algen zwar nicht die Lösung für alle Probleme sein können, sie aber immerhin theoretisch unendlich zur Verfügung stünden. Für Professor Lercher liegt in der Vielfalt die Lösung. “Mikroalgen sind nicht der einzige, sondern einer von vielen Biokraftstoffen der Zukunft.” Quelle: WELT Online (Autorin: Miriam Zerbel)