Neues Konzept für Kühlen und Schmieren verzichtet auf Öl
13.04.2012
Allein durch den Einsatz von Kühlschmiermitteln verbrauchen Metallbearbeiter in Deutschland jährlich mehr als 80000 t Mineralöl. Das ergibt sich aus Zahlen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), Eschborn. Noch ist der Hauptbestandteil der meisten konventionellen Kühlschmierstoffe wegen seiner guten schmierenden Eigenschaften Mineralöl. Mit Unterstützung einer Wissenschaftseinrichtung entwickelte ein Unternehmen aus Hagen nun eine mögliche Alternative. Für Heinz Dwuletzki begann die Geschichte eigentlich bereits vor neun Jahren. „Wir hatten uns 2003 gefragt, wie Kühlschmierstoffe ohne Mineralöl hergestellt werden können“, erinnert er sich. Der Chemiker leitet die Abteilung Labor und Technik Metallbearbeitung bei Bechem. Es sei immer deutlicher geworden, dass die Zeiten billigen Öls zu Ende gehen. Der Hagener Schmierstoffhersteller machte sich daher mit Fachleuten des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV (IBB-Netzwerkmitglied) in Freising und des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der TU Braunschweig auf die Suche nach mineralölfreien Kühlschmierstoffen. Kühlschmiermittel senken Reibung und Verschleiß, wenn Metalle spanend oder nicht spanend bearbeitet werden. Denn dabei wird es punktuell mehrere Hundert °C heiß. Die Wärme muss schnell aus dem Prozess abgeleitet werden, damit etwa kein Werkstück Gefahr läuft, sich zu verziehen. Bei wasserfreien Kühlschmierstoffen auf Ölbasis besteht Brand- und Explosionsgefahr. Zudem ist es energie- und kostenaufwendig, solche Mittel zu kühlen. Wasser habe da einen großen Vorteil, betont Bernd Weyershausen, Leiter des Geschäftsbereichs Metallbearbeitung. „Es kühlt deutlich besser als jedes Öl.“ Durch das Verdampfen werde Prozesswärme effizient abgeführt. Daher werden schon heute Kühlschmierstoffe aus Wasser und Öl genutzt. „Solche Wasser-Öl-Emulsionen sind jedoch rein physikalisch nie so stabil wie eine Lösung“, ergänzt der Chemiker Weyershausen. Wasser selber eigne sich nicht als Kühlschmierstoff. Es schmiere nicht und könne Korrosion auslösen. Die Lösung fanden die Spezialisten 2005: Sie setzen Wasser Biopolymere zu. Es handelt sich um eine modifizierte Stärke. Des Wassers Viskosität erhöht sich auf diese Weise – vergleichbar mit dem Binden einer Soße mit Mehl. Nach mehreren Experimenten fanden die Experten Wasser-Biopolymer-Lösungen, die die Vorteile von Wasser und Mineralöl vereinigen. „Sie haben die Kühlwirkung von Wasser und die Schmierwirkung eines mineralölbasierten Schmierstoffes“, so Weyershausen. Die so hergestellten Lösungen – Bechem nennt sie Berufluide – seien prinzipiell bei allen metallbearbeitenden Fertigungsverfahren einsetzbar, erklärt Weyershausen. Sie hätten sich bereits etwa beim Schleifen, Drehen, Fräsen, Stanzen und Tiefziehen bei Maschinenbauern, Werkzeug- und Medizingeräteherstellern sowie in der Automobil- und Luftfahrtindustrie bewährt. Oft erhöhe ihr Einsatz die Effizienz der Metallbearbeitung. Hartmetall lasse sich schneller schleifen: Der Spanabtrag pro Zeiteinheit – das Zeitspanvolumen – könne sich um ein Drittel im Vergleich zum Einsatz von mineralölhaltigen Kühlschmierstoffen erhöhen, heißt es vom Hersteller. Ebenso könne das Abwälzfräsen mit Berufluiden um 30 % schneller erfolgen als beim Einsatz von klassischem Schneidöl. Ebenso ließen sich tiefe Löcher mit bis zu dreifacher Vorschubgeschwindigkeit bohren, zeigten Erfahrungen von Bechem. „Der polymere Kühlschmierstoff senkt auch die Umweltbelastung deutlich“, ergänzt Christoph Herrmann vom IWF. Das zeigen vergleichende Ökobilanzen des IWF. Herrmann gibt Beispiele: Berufluide lassen sich mit etwa 90 % geringerem Energieaufwand als mineralölbasierte Kühlschmierstoffe herstellen, etwa 75 % weniger versauernde Schadstoffe werden dabei emittiert. Auf den Einsatz von Erdöl kann zudem verzichtet werden, weil die Biopolymere ohne großen Aufwand aus Pflanzen wie etwa Kartoffeln gewonnen werden. Darüber hinaus gäbe es geringere Betriebskosten beim Einsatz der Kühlschmierstoffe in der Fertigung, ergänzt Herrmann. Dafür nennt er mehrere Gründe: „Bearbeitete Metallteile müssen nicht von öligen Schmierstoffen befreit werden. An Energie kann meist auch gespart werden, da die Fluide vielfach ohne Kühlung eingesetzt werden können. Die neuen Mittel kommen zudem ohne Biozide aus. Und da sie – als Wasser-Biopolymer-Lösung – nicht brennen können, sind Brandschutzmaßnahmen wie beim Einsatz von Schneid- und Schleifölen nicht notwendig.“ Inzwischen hat das alternative Kühlschmiermittel auch außerhalb der Industrie Aufmerksamkeit erregt. Ende 2011 überreichte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler dem Fraunhofer-Institut, der TU Braunschweig und deren Industriepartner Bechem den Deutschen Rohstoffeffizienzpreis in der Kategorie Forschungseinrichtungen. Quelle: vdi Nachrichten (Autor: Ralph Ahrens)