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Mit einem Flow-Reaktor umweltschonend Wirkstoffe erzeugen
02.08.2017
Wirtschaftlich attraktive und nachhaltige Produktion
„Die bisher übliche Reaktorkessel-Technik ist wegen ihrer vielen Produktionsschritte besonders zeitintensiv. Zusätzlich hat sie den Nachteil, dass durch die Aufarbeitung von Zwischenstufen viele Abfallstoffe entstehen. Die Technik nutzt die Ausgangsstoffe somit nicht effizient“, sagt Gröger. Nach jedem Produktionsschritt wird typischerweise das Zwischenprodukt aufgereinigt. Dafür können erhebliche Mengen an Lösungsmittel erforderlich sein, die nach der Aufarbeitung als Abfall anfallen. „Hier lässt sich der Ressourcenbedarf reduzieren und Abfall einsparen, was die Produktion sowohl wirtschaftlich attraktiver als auch nachhaltiger macht“, sagt der Chemiker und Biotechnologe. Für die Flow-Technik lassen sich Gröger und seine Kollegen von der Natur inspirieren. In biologischen Zellen laufen chemische Vorgänge gleichzeitig und als „Dominoreaktionen“ ab – und das fortwährend. Die Bedingungen in Zellen bleiben die ganze Zeit gleich: der Druck, die Temperatur und das Lösungsmittel (Wasser). In den Zellen sorgen Enzyme dafür, dass die Reaktionen angestoßen und abgeschlossen werden. „Wir wollen die Prinzipien der Zelle für die Produktion in Mikroreaktoren nutzen“, sagt Gröger.Produktionsmenge lässt sich leicht erhöhen
Vorteile des neuen Herstellungsverfahrens sieht er auch darin, dass die Herstellung der gewünschten Substanzen deutlich weniger Energie und Platz braucht als beim konventionellen Verfahren. Als Mikroreaktoren verwenden die Forscherinnen und Forscher hauptsächlich Durchfluss-Reaktoren mit „Strömungsrohren“, deren Durchmesser deutlich unter einem Millimeter liegt. „Das Besondere ist, dass wir auch im kleinen Maßstab große Stoffmengen produzieren können. Dadurch können wir ohne großen Aufwand im jeweilig gewünschten Maßstab Substanzen herstellen“, sagt Gröger. „Wenn wir die Menge vergrößern wollen, setzen wir einfach zusätzliche Mikroreaktoren ein. Die Probleme bei der Maßstabsvergrößerung entfallen also.“Reaktionen steuern sich selbst dank Katalysatoren
Bis es soweit ist, müssen Harald Gröger und Kollegen noch einige Vorarbeit leisten. Damit mehrere Reaktionen in dem miniaturisierten Strömungsrohr gleichzeitig ablaufen können, dürfen diese sich nicht gegenseitig stören. „Wir entwickeln Methoden, die gewährleisten, dass jede Reaktion abgeschirmt ist“, sagt Gröger. Um Reaktionen anzustoßen, nutzen die Chemiker Katalysatoren. Diese Teilchen sind Teil der Reaktion, gehen aber am Ende wieder in ihren Ausgangszustand über, sodass sie mehrfach zum Einsatz kommen können. Grögers Forschungsgruppe ist spezialisiert auf die Kombination von Bio- und Chemokatalysatoren. Biokatalysatoren finden sich als Enzyme in der Natur. Chemokatalysatoren sind künstlich entwickelt. „Mit der Kombination aus Chemo- und Biokatalyse im Flow-Reaktor wollen wir effizient Produkte bei Raumtemperatur und damit nachhaltiger und gezielter erzeugen“, sagt Gröger. Die Europäische Union fördert „ONE-FLOW“ über ihr hochkompetitives Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ mit vier Millionen Euro. Davon gehen 400.000 Euro an die Universität Bielefeld. Das Projekt ist Anfang 2017 gestartet und läuft über vier Jahre. Nach der Begutachtung wurde es auf Platz zwölf von mehr als 500 Forschungsanträgen eingestuft, von denen letztlich 23 eine Förderung erhielten. Für die Forschung kooperieren die Technische Universität Eindhoven und die Universität Bielefeld mit der Technischen Universität Delft (Niederlande), der Technischen Universität Graz (Österreich), dem Centre National de la Recherche Scientifique (Frankreich), den Universitäten Cambridge und Hull (beide England) und der Firma Microinnova Engineering (Österreich).Weitere Informationen im Internet
- Artikel zum EU-Projekt ONE-FLOW der Technischen Universität Eindhoven (Englisch): http://bit.ly/2pNScpE
- Projektinformationen im Informationsdienst CORDIS: http://cordis.europa.eu/project/rcn/207478_en.html