Der Klimawandel, zur Neige gehende fossile Ressourcen und die von der Bundesregierung beschlossene Energiewende: Es gibt genügend Gründe, um an alternativen Energiequellen zu forschen. Einen fürwahr wachsenden Anteil am Energie-Mix der Zukunft wird die Biomasse ausmachen. So vielversprechend Pflanzen als Alternative zum Erdöl sind – mit Blick auf die effiziente Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe stoßen Biotechnologen und Verfahrenstechniker vielfach an Grenzen. Wo liegen ökonomisch und ökologisch gesehen die Chancen und die Hürden bei der Nutzung von Bioenergie? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion in den Räumen des Café Moskau, an der sich führende Wissenschaftler aus den vier Forschungsorganisationen beteiligten. Moderiert wurde die Diskussion von Peter Schneider vom Münchner Beratungsunternehmen FutureCamp.
Biomasse zu Treibstoffen
Ursula Schliessmann vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB (IBB-Netzwerkmitglied) in Stuttgart erläuterte, wieso gerade Abfallbiomasse eine wichtige Rolle für die künftige Energieversorgung spielen kann. Die Produktion von Biogas mache aus energetischer Sicht absolut Sinn. Methan etwa weise einen Energiegehalt auf, der höher als bei anderen Kraftstoffen liege. Entscheidend sei jedoch für den Vergärungsprozess, dass Mikroorganismen einen leichten Zugang zum Substrat fänden. „Das ist bei nicht verholzter, ligninarmer Biomasse der Fall.“ Da sich Biomasse lagern lasse, biete sie eine Speichermöglichkeit, um Spitzenlasten auszugleichen. Ein weiterer Vorteil von Biomasse sei es, dass sie in Form von dezentralen Anlagen Energie bereitstellen könne. „Unser Ziel muss es sein, die Biomasse noch effizienter zu nutzen – auch durch die Nutzung von Abfall- und Reststoffen“, so Schließmann. Dem konnte Kai Sundmacher vom Magdeburger Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme nur beipflichten. „Wir dürfen im Kontext der Biomasse nicht nur die energetische Nutzung sehen, sondern müssen dies mit der stofflichen Nutzung koppeln“, sagte er. „Die Biologie schenkt uns komplexe Moleküle, die bereits funktionalisiert sind. Wir müssen weg von der Aufbauchemie kommen hin zum intelligenten Umbauen von Molekülen.“ Dafür brauche es neue Enzyme, die zur Energiewandlung eingesetzt werden könnten, also Spezialmoleküle, die intelligente Biokatalysen bewerkstelligen.
Energiequellen intelligent kombinieren
Matthias Beller vom Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT) in Rostock unterstrich in diesem Kontext die Bedeutung von Bioraffinerien. In der chemischen Industrie habe ein Umdenken in Richtung Biomasse als Rohstoff eingesetzt. „Viele der großen Konzerne beschäftigen sich mittlerweile mit der Entwicklung biobasierter Polymere.“ Aus ökologischer Sicht seien Biokraftstoffe durchaus sinnvoll. Allerdings würden sie nur einen Teil des künftigen Energie-Mixes ausmachen. Beispielhaft für eine intelligente Kombination von Energiequellen nannte er etwa das Hybridkraftwerk im brandenburgischen Prenzlau, das überschüssigen Windstrom zur Produktion von Wasserstoff nutzt und diesen zusammen mit dem Energieträger Biogas gekoppelt für die Stromproduktion einsetzt. Christoph Syldatk, Biotechnologe vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), sprach sich dafür aus, bei der Bioenergiegewinnung die Ökobilanzierung schon in frühen Entwicklungsphasen mit einzubinden. Das gehe nur mit interdisziplinärer Zusammenarbeit. Schließmann plädierte dafür, solchen Projekten angemessene Entwicklungszeit einzuräumen und frühe Forschungsarbeiten überhaupt erstmal zuzulassen. Syldatk wiederum sagte, die Diskussion und das Akzeptanzproblem des Ethanol-Kraftstoffs E10 in Deutschland sei für ihn unverständlich. In den USA seien E85 Kraftstoffe schon seit langem auf dem Markt. Gerade das Thema Bioenergie müsse man sehr differenziert betrachten und dürfe die Debatte nicht auf wenige Schlagworte und einzelne Fakten reduzieren.
Den Akku mit Zuckerlösung aufladen
Nach der Podiumsdiskussion stellten die vier Forschungsorganisationen in den Räumen des Café Moskau einige Projekte aus ihren Ideenschmieden vor. Am Ausstellungsstand der Max-Planck-Gesellschaft konnten die Besucher leuchtende Beispiele für die Bioenergieforschung erkunden: An einem Leuchttisch konnten die Besucher selbst mit Wasserstoff- und Sauerstoffmolekülen hantieren und diese kontrolliert zusammenführen. Den Handyakku aufladen, indem man Apfelsaft oder Cola hineinfüllt? An dieser Vision forscht Tanja Vidakovic-Koch vom Magdeburger Max-Planck-Institut für die Dynamik. Biochemisch gespeicherte Energie – etwa aus Zucker – in elektrische Nutzenergie wandeln, dieses Kunststück soll eine „enzymatische Brennstoffzelle“ leisten, an denen die Magdeburger Max-Planck-Forscher tüfteln.
Brennstoffzelle und Synthesegas
Die Bio-Brennstoffzelle ist gerade einmal einen Quadratzentimeter groß, funktioniert schon bei vergleichweise niedrigen Temperaturen von weniger als 40 Grad. Der Clou: statt herkömmlichen Katalysatoren arbeitet die Brennstoffzelle mit Enzymen. „Unsere Brennstoffzellen haben eine Leistung im Mikrowattbereich“, sagt Vidakovic-Koch. Allerdings seien die Konstrukte noch weit entfernt von der praktischen Anwendung. „Gerade was die Robustheit der Enzyme angeht, stoßen wir hier an Grenzen.“ Die Fraunhofer-Gesellschaft stellte ihre Forschungen zur Nutzung von ligninarmer Biomasse am Beispiel von Mikroalgen vor, die in großen Photobioreaktoren vermehrt werden können. Mit der Nutzung ligninhaltiger Biomasse beschäftigen sich hingegen Biotechnologen am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna, das neu errichtete Forschungszentrum soll noch Ende des Jahres eröffnet werden. Die Helmholtz-Gemeinschaft stellte ihre Fortschritte bei der Herstellung von Synthesegas aus Biomasse vor – dem bioliq-Verfahren, dass am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt wird. Forscher vom Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim wiederum demonstrierten, wie sich aus faserreicher Biomasse — etwa Weizenstroh — Biogas gewinnen lässt. Quelle: biotechnologie.de/pg