Für Bakterien ist der Lebensraum Boden ein ziemlich unwegsames Gelände: Trockene Bereiche und Luftporen stellen für sie unüberwindbare Hindernisse dar. Um sich fortzubewegen, benötigen sie einen Flüssigkeitsfilm in dem sie schwimmen können. Große Ansprüche stellen sie dabei nicht. Schon die umgebende Schleimschicht von Pilz-Hyphen ist für ihre Fortbewegung bereits ausreichend — und wird genutzt. Dabei bietet das Pilznetzwerk (Myzel) den Bakterien auch eine hervorragende Infrastruktur: So schlängeln sich durch nur ein Gramm Waldboden mehrere hundert Meter Pilz-Hyphen. “In dem feinen Flüssigkeitsfilm rund um die Hyphen können sich die Bakterien sehr viel schneller, gerichteter und weiter fortbewegen als im Bodenwasser ohne Hyphen”, sagt Tom Berthold, Erstautor der Publikation und Doktorand am Department Umweltmikrobiologie des UFZ. “Pilz-Hyphen sind für die Bakterien wie eine Art Autobahn, auf der sie schnell und ohne Umwege zu ihren Nahrungsquellen gelangen.” Da auf der Pilzautobahn oft reger Verkehr herrscht, kommen die Bakterien auch in engen Kontakt miteinander und tauschen dabei Genmaterial aus. “Im Prinzip ist das so ähnlich wie die Übertragung von Erkältungskeimen in dichtbesetzten öffentlichen Verkehrsmitteln”, erklärt Umweltmikrobiologe Dr. Lukas Wick. “Doch anders als bei einem Schnupfen sind die neu erhaltenen Gene für die Bodenbakterien in der Regel ein Gewinn. Mit ihnen können sie sich besser an verschiedene Umweltbedingungen anpassen.” Je nachdem welche Gene sie durch den Genaustausch erhalten, können sie sich an neue Umweltbedingungen anpassen oder Nahrungsquellen erschließen, die bislang für sie nicht nutzbar waren. Das können beispielsweise auch die in Erdöl und Benzin vorhandenen Schadstoffe Toluol oder Benzol sein, die für Bakterien mit der passenden genetischen Ausstattung nicht schädlich, sondern im Gegenteil besonders schmackhaft sind. Für den Abbau von Bodenschadstoffen kann die Weitergabe dieser Fähigkeit an weitere Bakteriengruppen also von großem Vorteil sein. In ihren Untersuchungen haben die UFZ-Forscher weiterhin zeigen können, dass auf der Pilzautobahn ein deutlich höherer Gentransfer zwischen Bakterien stattfindet, als in einem feuchten Milieu ohne Pilz-Hyphen. Mit Computermodellen, die die Häufigkeit des Gentransfers zwischen den Bakterien entlang der Hyphen berechnen, kamen die Wissenschaftler zu demselben Ergebnis. Wick: “Unsere Studie zeigt, dass Pilz-Hyphen den Bodenbakterien nicht nur eine hervorragende Infrastruktur bieten, sondern auch einen möglichen Hotspot für bakteriellen Gentransfer. Dieser bisher unbekannte Aspekt der Pilz-Bakterien-Interaktion ist ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Verständnis der komplexen Wechselwirkungen von Mikroorganismen in Böden.” Pilze spielen im hochkomplexen Lebensraum Boden also eine sehr wichtige Rolle: Bei der Verbreitung von Bakterien, ihrer genetischen Anpassung und Vielfalt und letztlich auch der Evolution von Bodenbakterien. “Noch vor wenigen Jahren war man sich dessen überhaupt nicht bewusst”, sagt Wick. “Womöglich hat im Verlauf der Erdgeschichte die bakterielle Vielfalt mit der Entwicklung myzelbildender Pilze stark zugenommen.” Und was den Abbau von Schadstoffen angeht vermuten die UFZ-Forscher, dass Böden mit hohem Pilzvorkommen wahrscheinlich besser gerüstet sind als Böden mit nur geringem Pilzanteil. Denn über die Pilzautobahn sind schadstoffabbauende Bakterien schneller an Ort und Stelle und via Gentransfer ist womöglich auch schon Verstärkung auf dem Weg. Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg mehr als 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert. www.ufz.de Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 37.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821−1894). www.helmholtz.de Quelle: ufz.de