Filmtipp: Synthetische Biologie und der Neandertaler
21.01.2013
In dem jungen Forschungsfeld der „Synthetischen Biologie“ versuchen Wissenschaftler, Organismen nach Ingenieursmanier mit neuen Funktionen auszustatten. Mit Hilfe von künstlich hergestellten Gen-Bausteinen werden Zellen für neue Aufgaben programmiert. Dokumentarfilmer John Kantara stellt in seinem 3sat-Film einige Möglichkeiten und Herangehensweisen aus der Synthetischen Biologie vor. Vieles davon ist Zukunftsmusik. Aber nach Ansicht einiger Forscher wird das Feld auch tiefe Einblicke in unsere Vergangenheit ermöglichen. Zeitsprünge, die der Film mit anschaulichen Comics überbrückt.
iGEM und der Biobaukasten
Organismen nach dem Biobaukasten-Prinzip umprogrammieren, beim internationalen Wettbewerb für Synthetische Biologie iGEM wird dieser Ansatz besonders konsequent umgesetzt. Wer bei der WM der angehenden Bioingenieure mitmacht, bekommt zum Start eine Auswahl von Genschnipseln – Biobricks – aus einem Archiv zugesandt. Im Gegenzug schicken die Studenten jeden Bauklotz, den sie im Rahmen ihres Projekts selbst herstellen, zurück ans MIT in Boston und errichten so einen riesigen Katalog aus Biobausteinen. Deutsche Hochschulteams waren 2012 bei iGEM besonders engagiert, an elf Universitäten waren Studenten mit Projekten beteiligt. Das Team der Uni Bielefeld suchte nach Enzymen, die pharmazeutische Rückstände aus Abwässern unschädlich machen können. Der Filmautor hat die Bielefelder bei ihren Expeditionen in Kläranlagen, in den Wald, ins Labor und zum iGEM-Finale nach Boston begleitet.
Mammut und Neandertaler in Zellkultur
Angetrieben wird die Synthetische Biologie von den großen technologischen Fortschritten bei der künstlichen Synthese von Erbmaterial und bei den Sequenzier-Techniken. Im Film kommen wichtige Vorreiter und Visionäre dieser Gentechnologien, etwa George Church von der Harvard Medical School, zu Wort. In seinen Labors wird an der neuesten Generation von Gensynthese-Maschinen getüftelt. Mit diesen Methoden, da ist sich Church sicher, könnten in Zukunft längst ausgestorbene Spezies wieder zum Leben erweckt werden – auch der Neandertaler. Erste Meilensteine auf diesem Weg zeichnet die Dokumentation nach, etwa wie Leipziger Paläogenetiker es geschafft haben, aus fossilen Knochen das uralte Genom des Vetters des Menschen komplett zu entziffern. Ließe sich das Neandertaler-Genom am Stück in DNA-Syntheseautomaten hergestellen und in eine Eizelle einschleusen, so könnte man theoretisch Neandertaler klonen. Dieses ethisch höchst fragwürdige Projekt ist zunächst nur ein Gedankenexperiment. Doch zumindest in Zellkulturen im Labor, prognostiziert der Film, wird das genetische Programm von Mammut oder Neandertaler dereinst wohl tatsächlich wieder auferstehen.