Brüssel, 08.06.12. EU-Forschungskommissarin Maire Geoghegan-Quinn will kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stärker als bisher an der EU-Forschungsförderung beteiligen. „Die KMU bilden das Rückgrat der europäischen Wirtschaft und beschäftigen mehr als zwei Drittel der arbeitenden EU-Bevölkerung. Daher dürfen sie nicht mit komplizierten Beteiligungsregeln bei EU-Forschungsanträgen belastet werden“, betonte die Irin beim EU-Forschungsministerrat diese Woche in Brüssel. Auch das bis Ende 2013 laufende 7. EU-Forschungsrahmenprogramm hat bisher den Zugang von innovativen Kleinunternehmen zur EU-Forschungsförderung nicht wesentlich nach vorne gebracht, selbst wenn die Lippenbekenntnisse aller bisherigen EU-Forschungskommissare in den zurückliegenden vier Jahrzehnten das glauben machen wollen. Als Grund für die Zurückhaltung, Anträge in Brüssel zur Forschungsfinanzierung einzureichen, nennen die KMU den bürokratischen Aufwand, Sprachbarrieren und die bisherige Pflicht, mit mindestens zwei anderen Partnern aus zwei anderen Mitgliedsländern kooperieren zu müssen. Eine der wesentlichen Neuerungen von „Horizont 2020“ – dem Nachfolgeprogramm des 7. Forschungsrahmenprogramm – ist nun, dass KMU Förderanträge stellen können, ohne Partner aus anderen EU-Staaten mit ins Boot nehmen zu müssen. Denn was stets als „europäischer Mehrwert“ gepriesen wurde, stellte sich als eine der Hauptbarrieren für die KMU-Antragstellung in Brüssel heraus. „Allein einen Förderantrag formgerecht in Brüssel einzuspeisen, erfordert für kleine Unternehmen einen erheblichen Aufwand“, bestätigt die Koordinierungsstelle Wissenschaft (Kowi) in der Rue de Trone in Brüssel, die als Dienstleister für deutsche Antragsteller aus der Wissenschaftslandschaft arbeitet. Im laufenden EU-Forschungsrahmenprogramm lag die KMU-Beteiligung bis Ende 2011 bei einem Wert von 15,3 % aller bewilligten Forschungsanträge. Dies soll deutlich gesteigert werden bis Ende des Jahrzehnts, sagt Geoghegan-Quinn. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), denen eine entscheidende Rolle bei Innovationen zukommt, sind im Siebenjahreszeitraum (2014 bis 2020) des Horizont-Programms gut 8,6 Mrd. € vorgesehen. Thematisch stehen im Rahmen dieses Programms nahezu 6 Mrd. € für den Ausbau der europäischen industriellen Kapazitäten in den Schlüsseltechnologien bereit. Hierunter fallen vor allem Photonik, Mikro- und Nanoelektronik, Nanotechnologien, fortgeschrittene Werkstoffe sowie fortgeschrittene Fertigung und Verarbeitung und Biotechnologie. Diese Schlüsseltechnologien erfordern einen multidisziplinären, wissens- und kapitalintensiven Ansatz. Dem soll das neue Programm Rechnung tragen. So werden mit Horizont 2020 erstmals EU-Forschung und Innovation in einem einzigen Programm zusammengefasst. Mehr denn je ist dieses neue Programm darauf ausgerichtet, nicht nur wissenschaftliche Leistungen zu fördern, sondern auch deren Weiterentwicklung zu innovativen Produkten und Dienstleistungen. Zugleich soll mit erheblich vereinfachten Regeln und Verfahren der Verwaltungsaufwand reduziert werden, um so mehr Anreize für Spitzenforscher und innovative Unternehmen zu bieten. Die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC), der hauseigene Wissenschaftsdienst der EU-Kommission, wird die EU-Politik auch in Zukunft wissenschaftlich und technisch in Fragen unterstützen. Mit dem 2014 beginnenden Programm Horizont 2020 werden schwerpunktmäßig drei Hauptziele gefördert. Unterstützt wird mit 24,6 Mrd. € die weltweit führende Stellung der EU in der Wissenschaft. Für den erfolgreichen Europäischen Forschungsrat (ERC) werden die Fördermittel um 77 % aufgestockt. Die Sicherung der industriellen Führungsposition mittels Innovationen soll mit 17,9 Mrd. € unterstützt werden. Dies beinhaltet umfangreiche Investitionen in Höhe von 13,7 Mrd. € in Schlüsseltechnologien und einen leichteren Zugang zu Kapital und Unterstützung für KMU. Schließlich sollen 31,7 Mrd. € für die großen Herausforderungen der Gesellschaft bereitgestellt werden. Die Schwerpunkte heißen Gesundheit, demografischer Wandel Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit, marine Forschung sowie die Biowirtschaft sichere, saubere und effiziente Energie intelligenter, umweltfreundlicher und integrierter Verkehr, Klimaschutz, Ressourceneffizienz und Rohstoffe sowie integrative, innovative und sichere Gesellschaften. Die EU-Kommission schlägt ein Budget von 80 Mrd. € für Horizont 2020 vor, ein deutlicher Anstieg gegenüber den 54 Mrd. € des 7. Forschungsrahmenprogramms. Dem EU-Parlament ist dies aber noch zu wenig, es fordert für den Zeitraum 2014 bis 2020 gut 100 Mrd. €. Bis Ende des Jahres soll eine Einigung im Ministerrat unter den EU-Mitgliedsländern erzielt werden, einige große EU-Länder treten deutlich auf die Bremse. Doch „angesichts der dramatischen Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds brauchen wir eine neue Vision für die europäische Forschung und Innovation“, so Geoghegan-Quinn. [gekürzt] Quelle: VDI nachrichten (Autor: THOMAS A. FRIEDRICH)