In Abwässern, aber auch in Urin, schwimmt organische Fracht, die voller Energie steckt. Seit einigen Jahren erforschen Umwelttechniker, wie sich diese Energie abzapfen lässt. Dabei sind stromleitende Mikroben in den Fokus geraten. Sie lassen sich zum Beispiel im Rahmen einer sogenannten Bio-Brennstoffzelle als Generator nutzen.
Richtungswechsel bei der Biostrom-Forschung
Wie Miriam Rosenbaum von der RWTH Aachen erläuterte, verlagert sich allerdings derzeit zunehmend der Fokus der Forschung. „Der Trend geht inzwischen über die bloße Gewinnung von Bioelektrizität hinaus – hin zur elektrobiotechnologischen Produktion von wertvollen organischen Stoffen“, so Rosenbaum. Um neueste Trends zu diskutieren, waren rund 60 Fachleute ins Dechema-Haus zum Symposium „New Bioproduction Systems: Electrically and light-driven Biosyntheses” nach Frankfurt gekommen. „Bioelektrochemische Systeme sind äußerst komplex und an vielen Stellen noch nicht verstanden“, betonte Rosenbaum. So sei unklar, wie genau die Bakterien die Elektronen aufnähmen und in ihren Stoffwechsel einspeisten. Rosenbaum setzt mit ihrem Team in Aachen auf Methoden der Synthetischen Biologie, um den Stoffwechsel von Bakterien umzukonstruieren und somit gezielt auf die Produktion von interessanten organischen Verbindungen zu trimmen.
Wasserlassen für die Stromproduktion
Tom Sleutels vom Forschungsinstitut Wetsus im niederländischen Leeuwarden stellte zwei EU-Projekte aus seinem Haus vor, in denen Industrieabwässer oder Urin als reichhaltige Quelle für Energie und Wertstoffe genutzt werden sollen. In dem 2012 gestarteten EU-Verbund „ValueFromUrine“ beschäftigen sich die Forscher damit, aus Urin nahezu sämtliche Phosphor- und Stickstoffbestandteile zurückzugewinnen und mithilfe von Mikroben gleichzeitig noch Energie aus dem Harn abzuzweigen. Das Forschungsmaterial für ihre Versuche sammeln die Niederländer in eigens dafür konstruierten Urinalen. Mit dem Werbeslogan „Wateren voor Energie“ werden Bürger gebeten, sich im Dienste der Wissenschaft zu erleichtern. Neben dem abzapfbaren Strom sollen die recycelten Stoffe insbesondere in Mineraldüngern eingesetzt werden. „Urin könnte 18 Prozent der Phosphor- und 25 Prozent der Stickstoffkomponenten für Bodendünger in der EU liefern“, rechnete Sleutels vor. In einem weiteren EU-Projekt setzen die Niederländer ebenfalls auf Bioelektrochemie, um aus Abwässern in der Metallindustrie Strom zu gewinnen.
Produktionssysteme verbessern
Die meisten Versuche zur Elektro-Biotechnologie spielen sich noch im Labor ab. Um die Technologie wirtschaftlich und damit fit für den industriellen Einsatz zu machen, tüfteln Forscher wie Dirk Holtmann und Falk Harnisch an geeigneten Reaktorsystemen. Harnisch sagte in Frankfurt, für die biotechnologische Produktion von Plattformchemikalien sei die Elektronen-Dichte und damit der Energiegehalt von Abwässern meist zu gering. Um die Effizienz zu erhöhen, probiert der Leipziger Forscher deshalb, die verschiedenen Reaktionsschritte auf neue Weise miteinander zu koppeln. Der Belgier Korneel Rabaey, Pionier der Erforschung von mikrobiellen Elektrosynthesen, erläuterte, mit Bakterien als Zellfabriken ließen sich unter dem Einsatz von Strom und CO2 bereits mehrere Gramm pro Liter bestimmter organischer Verbindungen wie Acetat herstellen. Der Forscher von der Universität Ghent stellte einige der Stellschrauben vor, an denen sein Team derzeit dreht, um elektrobiotechnologische Produktionssysteme zu verbessern. So tüfteln die Belgier derzeit an Elektroden, die von den stromleitenden Mikroben noch besser besiedelt werden. Auch kümmern sie sich bereits um Schritte am Ende der Produktionskette, wie etwa die Aufreinigung der gewünschten Substanzen. Klar wurde in Frankfurt jedenfalls: In dem aufstrebenden Forschungszweig der Elektro-Biotechnologie steckt jede Menge Potenzial, das sich für die Bioproduktion der Zukunft nutzen lässt. Auf dem Weg zu einer wirtschaftlichen Nutzung ist jedoch noch viel Bioingenieursarbeit gefragt. Quelle: biotechnologie.de/pg