Zur fünften Ausgabe des EFIB waren rund 450 Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ins Swissotel nach Düsseldorf gekommen. Die Teilnehmer eint das Streben nach einer Industrie, die viel stärker als bisher auf biologischen anstatt auf fossilen Ressourcen aufbaut. Nur einige Produkte einer solchen biobasierten Wirtschaft sind Biokraftstoffe, chemische Grundstoffe oder Bioplastik.
Politischer Rückenwind in Europa
Rückenwind für eine solche Entwicklung hin zur Bioökonomie kommt aus der Politik: Nicht nur die deutsche Bundesregierung fördert das Konzept im Rahmen einer nationalen Forschungsstrategie mit 2,4 Milliarden Euro. Auch die EU-Kommission hat im Februar dieses Jahres ein Strategiepapier veröffentlicht, in dem ausgeführt wird, wie in Europa die Weichen für eine biobasierte Wirtschaft gestellt werden sollen. EU-Forschungskommissarin Maire Geoghegan-Quinn sowie BMBF-Staatssekretär Thomas Rachel sandten in diesem Sinne Videobotschaften an die EFIB-Teilnehmer. Rudolf Strohmeier, Stellvertretender Generaldirektor für Forschung und Innovation in der EU-Kommission, sagte in Düsseldorf, die Biotechnologie habe im künftigen EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 den Rang einer von fünf Schlüsseltechnologien. So gelte Biotech unter anderem auch als Hoffnungsträger, wenn es darum gehe, marine Ressourcen für die Bioökonomie zu erschließen. Insgesamt ermunterte Strohmeier die Akteure im Plenum, sich stärker in öffentlich-privaten Partnerschaften oder Joint Ventures zu engagieren und kündigte Förderungen für solche Allianzen im Rahmen von Horizon 2020 an.
Starke Allianzen und strategische Partnerschaften
Beim EFIB wurde indes klar: Viele Unternehmen aus der industriellen Biotechnologie in Europa sind längst dabei, sich mithilfe von Kooperationen den Weg zum Markt zu bahnen. Häufig haben sich kleine Unternehmen mit Akteuren aus der Großindustrie zusammengeschlossen. Zum Beispiel das niederländische Unternehmen Avantium: Das Spin-out von Royal Dutch Shell hat sich mit niemand Geringerem als der Coca-Cola-Company zusammengetan, um für deren Softdrinks eine Flasche aus rein biobasiertem Kunststoff herzustellen, die „Plant Bottle“. Sie soll aus dem Polyester mit dem Kürzel PEF bestehen. Der biobasierte Grundbaustein für diesen Kunststoff wird aus einem Zucker gewonnen. „Unser PEF-Kunststoff ist nicht nur biobasiert, sondern er bringt auch noch bessere Barriereeigenschaften mit“, sagte Avantium-Chef Tom van Aken. „Wir versuchen über Partnerschaften mit großen Getränkeherstellen, unsere Produkte in den Markt zu heben“, so van Aken. 2016 soll es nach den Plänen der beiden Unternehmen soweit sein. (mehr…)
Begehrte Produkte: Bernsteinsäure und Butanol
Auf Allianzen als Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg setzen auch die Branchengrößen Roquette und DSM. Sie haben das Joint Venture Reverdia gegründet, um die industrielle Produktion von Bio-Bernsteinsäure gemeinsam im großen Stil voranzutreiben. Bernsteinsäure ist eine wichtige Plattformchemikalie, aus der sich bedeutende Grundchemikalien herstellen lassen. Derzeit ist Reverdia dabei, eine Bioraffinerie für die Bernsteinsäure-Produktion im kommerziellen Maßstab zu errichten. Ende 2012 soll eine solche Anlage im italienischen Casssano Spinola in Betrieb gehen. Auf Abgase aus der Stahlproduktion als Rohstoff für die Herstellung von Biokraftstoffen setzt indes eine Partnerschaft der Firma Global Bioenergies (Frankreich) [IBB-Netzwerkmitglied] und Lanzatech (Neuseeland). Die beiden Unternehmen haben Mikroben isoliert und gentechnisch so verändert, so dass sie fortan das Kohlendioxid aus Abgasen in den Treibstoff 2,3‑Butanediol verwandeln.
Robuste Mikrobe zerlegt Biomasse
Hefen oder Coli-Bakterien sind zwar immer noch die Lieblingsmikroben der Biotechnologen. Aber auch exotische Modellorganismen erobern sich in der Branche ihren Raum. Das börsennotierte französische Unternehmen Deinove hat sich das außergewöhnlich robuste Bakterium Deinococcus radiodurans als Modell ausgesucht. „Deinococcus kann bei Temperaturen bis 60 Grad arbeiten und ist ein Biomasse-Zerleger, da es Enzyme wie Cellulasen bereits von Natur aus mitbringt“, so Michel Krel von Deinove. Die Firma entwickelt derzeit eine Technologie, um mithilfe von Deinococcus in einem Schritt aus Agrarreststoffen Ethanol zu produzieren. Der französische Staat unterstützt das Projekt mit einer Innovationsförderung von 6 Millionen Euro. Da sich das EFIB auch als politisches Forum versteht, erläuterten während der zweitägigen Konferenz Vertreter verschiedener Nationen die jeweilige strategische Ausrichtung und die Maßnahmen, die bereits zum Ausbau der Bioökonomie in ihren Ländern auf den Weg gebracht wurden. Dazu zählten neben Deutschland und den Niederlanden auch Russland und Malaysia. Das nächste Europäische Forum für Industrielle Biotechnologie ist im Herbst 2013 in Brüssel geplant. Quelle: biotechnologie.de/pg