Die Raffinesse von Mikroorganismen synthetisch nutzen
13.03.2017
Enzymfunktionen in Mikroorganismen mit Auswirkungen für die Ökologie bis hin zu Anwendungen moderner Ssynthetischer Biologie beschäftigen Dr. Tobias Erb, den Preisträger des VAAM-Forschungspreises 2017. Der Marburger Mikrobiologe erforscht mit seiner Arbeitsgruppe den Kohlendioxid-Stoffwechsel von Bakterien: seine Auswirkungen auf Klima und Atmosphäre, die Entstehung verschiedener Enzym-Formen im Laufe der Evolution und die mögliche Konstruktion neuer Kohlendioxid-bindender Stoffwechselwege am Reißbrett. Am 5. März erhielt Erb im Rahmen der diesjährigen VAAM-Jahrestagung in Würzburg den mit 10.000 Euro dotierten VAAM-Forschungspreis 2017, der zum zehnten Mal für herausragende aktuelle Arbeiten auf dem Gebiet der Mikrobiologie verliehen wird. Die Umwandlung von Kohlendioxid aus der Luft in fixierte Kohlenstoffverbindungen bildet die Grundlage unserer Nahrungskette und unserer Energieversorgung. Neben der Photosynthese haben insbesondere Mikroorganismen dafür weitere Wege entwickelt. „Einige dieser Stoffwechselwege für Kohlenstoff und die dafür verantwortlichen Enzyme haben wir gerade erst entdeckt, andere sind noch unbekannt“, berichtet Erb. Er ist diesen neuen Wegen und ihrer evolutionären Entstehung auf der Spur, aber auch der Nachbildung und Neukombination im Rahmen der synthetischen Mikrobiologie. Tobias Erb identifizierte bereits verschiedene bislang unbekannte Umsetzungen für Kohlenstoff, darunter ein neuartiges Enzym aus Alphaproteobakterien, das bis zu zwanzigmal schneller CO2 aus der Luft bindet als das entsprechende Enzym aus Pflanzen. Die Arbeitsweise dieses Super-Enzyms studieren Erb und sein Team unter anderem mit einer eigens dafür entwickelten „Enzym-Zeitlupe“. „Die Natur hat verschiedene biochemische Lösungen für ein und denselben Zweck entwickelt“, so Erb. Aus kreativen Enzymkombinationen könnten neue biotechnologische und nachhaltige Lösungen erwachsen, beispielsweise für moderne Produkte auf Kohlendioxid-Grundlage. Genomsequenzprojekte und Enzym-Design helfen Erb bei der Suche nach interessanten Reaktionen. In einer bahnbrechenden Arbeit gelang es der Arbeitsgruppe kürzlich, einen künstlichen Stoffwechselweg zur Kohlendioxid-Fixierung im Reagenzglas zusammenzusetzen – ein erster Schritt zur künstlichen Photosynthese. Damit leistet Tobias Erb Pionierarbeit auf dem Gebiet der synthetischen Mikrobiologie, in deren Zuge Wissenschaftler künftig für den Menschen nützliche Mikroorganismen und minimale Zellen konstruieren wollen. „Mit Tobias Erb hat das Auswahlkomitee einen der qualifiziertesten Nachwuchsforscher unseres Fachgebietes ausgewählt“, betont VAAM-Präsident Oskar Zelder. Mit seinen nur 37 Jahren hat Erb bereits herausragende wissenschaftliche Leistungen in Deutschland, den USA und der Schweiz erbracht. Seine Ergebnisse publizierte er in einer Vielzahl wissenschaftlicher Artikel — unter anderem in den international angesehensten naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften Nature und Science. „Seine Arbeiten erregen nicht nur in der Fachwelt Aufsehen, sondern stoßen auch auf ein außerordentliches Medieninteresse, das unserem Arbeitsgebiet in der Gesellschaft positive Aufmerksamkeit verleiht“, so Zelder.
Der Preisträger
Dr. Tobias Erb (37) leitet seit 2014 die Forschungsgruppe Biochemie und Synthetische Biologie des mikrobiellen Stoffwechsels am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Er studierte Biologie und Chemie an der Universität Freiburg und promovierte dort 2009 im Labor von Prof. Dr. Georg Fuchs. Für seine Entdeckung des Ethylmalonyl-CoA-Wegs in Rhodobacter sphaeroides erhielt er den VAAM-Promotionspreis 2010. Nach einem Postdoktoranden-Aufenthalt an der Universität Illinois (USA) war er Leiter einer Juniorgruppe an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, bis er 2014 an das MPI nach Marburg wechselte. 2016 erhielt Tobias Erb den Heinz-Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Informationen: www.mpi-marburg.mpg.de/erb
Die VAAM
Die VAAM ist Gründungsmitglied im VBIO und vertritt über 3500 mikrobiologisch orientierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Forschung und Industrie. Die Bandbreite der Forschung reicht von Bakterien, Archaeen und Pilzen in allen Ökosystemen und in Lebensmitteln über Krankheitserreger bis hin zu Genomanalysen und industrieller Nutzung von Mikroorganismen, ihren Enzymen und Stoffwechselprodukten. Die diesjährige Jahrestagung „Microbiology and Infection“ mit weit über 1000 internationalen Wissenschaftler/innen fand gemeinsam mit der DGHM (Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie) vom 5. bis 8. März in Würzburg statt. Quelle: idw