Mühsam hatten sich die Parteispitzen in der Nacht auf den 27. November inhaltlich verständigt. Herausgekommen ist ein Koalitionsvertrag mit klaren Positionen aber auch Kompromissformeln und Ablehnungen. Speziell für die Biotechnologie zeichnet sich ein gemischtes Bild. Die Gentechnik erhält in den kommenden vier Jahren keinen Rückenwind. Während die CDU in den vier vergangenen Jahren eine eher positive Haltung vertreten hatte, erkennen die Koalitionäre nun „die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an“, wie es auf Seite 123 heißt. Damit dürfte der Streit um die Pflanzenbiotechnologie weitergehen. So tritt die Koalition für eine „Kennzeichungspflicht für Produkte und Tiere, die mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln gefüttert werden“ ein. Bisher gelangten Fleisch, Milch oder Eier zumeist ohne Kennzeichnung in den Handel. An der Nulltoleranz für nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen wollen die Parteien festhalten. Auch in Punkto Klonen zeigen sich die Politiker hart: Auf europäischer Ebene soll eine Kennzeichnungspflicht für Nachkommen geklonter Tiere eingeführt werden. Das reproduktive Klonen von Tieren selbst, soll verboten werden. Importe von geklonten Tieren werde es nicht geben.
Lieferant für neue Werk- und Wirkstoffe
Der medizinischen und Industriellen Biotechnologie zeigt sich die mögliche neue Bundesregierung aufgeschlossener gegenüber. Biotechnologisch erzeugte neue Werkstoffe, wie etwa Kunststoffe, werden als Teil eines Leitmarkts angesehen (S. 19). Gleiches gilt für die Medizintechnik, die als Teil der Gesundheitswirtschaft, zu den Kernbereichen der deutschen Wirtschaft und als Schlüssel zur Bewältigung des demographischen Wandels gesehen wird (S. 19, 139). Zudem wird – so die Planungen – die Gesundheitsforschung eine „herausgehobene Stellung in den Förderanstrengungen“ einnehmen. Das Konzept der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung werde in einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren fortentwickelt (S. 33). In der Wirkstoffforschung sind vor allem neue Rezepte für Antibiotika und der Überwindung bakterieller Resistenzen gefragt (S. 33).
Attraktiv für Wagniskapitalgeber werden
Bleibt es bei den Versprechen der neuen Bundesregierung können sich in den kommenden vier Jahren die Rahmenbedingungen für junge Unternehmen in einigen Bereichen verbessern. Für die Biotechnologie ist vor allem Wagniskapital (VC) wichtig. Deutschland werde sich zu einem „international attraktiven“ Standort für VC-Investitionen wandeln, versprechen Union und SPD (S. 140). Dafür solle es Investitionszuschüsse geben. Sogar die Einführung eines Börsensegments für junge Unternehmen „Markt 2.0“ wird angestrebt. Die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital sollen „wettbewerbsfähig gestaltet“ werden (S. 22). Dies entspricht Forderungen der Branchenverbände wie der BIO Deutschland. Eine herbe Enttäuschung für kleine und mittlere Unternehmen gab es in Sachen steuerlicher F&E‑Förderung. Sie wurde überraschend und in letzter Sekunde in der Abschlussrunde aus dem Koalitionsvertrag gekippt.
Hightech-Strategie weiterführen
In der kommenden Legislaturperiode wird es – wenn man den aktuellen Planungen folgt – auch zu einer Weiterführung der Hightech-Strategie kommen. Diese ressortübergreifende Initiative war im vergangenen Jahr mit einer großen Schlusskonferenz planmäßig beendet worden. Zu den künftig wichtigen Forschungsbereichen werden hier „Veränderungen wie die demographische Entwicklung, die Digitalisierung und die Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise“ gezählt (S. 33).
Bioökonomie an zwei Stellen präsent
Dies könnte auch die Bioökonomie beinhalten. Sie wird an zwei Stellen im Koalitionsvertrag erwähnt. Mit Hilfe der biobasierten Wirtschaft soll „der Wandel von einer überwiegend auf fossilen Rohstoffen basierenden Wirtschaft zu einer auf erneuerbaren Ressourcen beruhenden, rohstoffeffizienten Wirtschaft“ gelingen – vor allem mit Hinblick auf die Energiewende (S. 34). In den kommenden vier Jahren werde darüber hinaus ein Gesamtkonzept unter bioökonomischen Gesichtspunkten für den Anbau, Verarbeitung und Nutzung von Biomasse erstellt. Dabei soll deren Einsatz einen sinnvollen Beitrag zum CO2-Minderungsziel leisten und Nutzungskonkurrenzen mit dem Arten- und Naturschutz entschärfen. Generell gilt aber, dass der Anbau von Biomasse nicht ausgebaut wird, um Auswüchse von Monokulturen (Vermaisung) zu verhindern. Vor allem Abfälle und Reststoffe würden künftig genutzt (S. 54).
Branche begrüßt Aussagen
Branchenverbände wie die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) begrüßten in ersten Reaktionen die Aussagen im Koalitionsvertrag zur Bioökonomie. „Der Koalitionsvertrag zeichnet grundsätzlich den richtigen Weg aus“, so Matthias Braun als Vorsitzender der DIB. Der Bundesverband der Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) begrüßte ebenfalls das Vorhaben die Attraktivität von Beteiligungen an jungen Unternehmen zu steigern. „Diese Vorhaben müssen jetzt aber in den kommenden Jahren umgesetzt werden“, so Matthias Kues, Vorstandsvorsitzender des BVK. Quelle: biotechnologie.de