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Chemische Evolution — Am Anfang war der Zucker
16.10.2020
Zucker aus Formaldehyd
Die Spurensuche beginnt im Jahr 1861. Alexander Butlerow, ein russischer Chemiker, fand heraus, dass aus Formaldehyd bei der sogenannten Formosereaktion unterschiedliche Zucker entstehen. Ameisensäure haben Miller und Urey bei ihren Experimenten nachgewiesen. Bei deren Reduktion entsteht Formaldehyd. Butlerow wiederum fand heraus, dass verschiedene Mineralien die Formosereaktion katalysieren. Dazu gehörten unter anderem Oxide und Hydroxide von Calcium, Barium, Thallium und Blei. Gerade Calcium ist in den oberen Erdschichten reichlich vorhanden. Doch die Hypothese, dass Zucker über diesen Weg entstanden sein könnten, hat zwei Schönheitsfehler. Bei der Formosereaktion entsteht ein Gemisch an unterschiedlichen Verbindungen. Außerdem läuft dieser Weg nur in wässrigen Systemen ab. Zucker lassen sich jedoch auf Meteoriten ebenfalls nachweisen.Trapp untersuchte zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der LMU und des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg eine andere Möglichkeit. Ihre Experimente führten die Forscher unter mechanochemischen Bedingungen durch. Das heißt: Alle Reagenzien und Mineralien kamen in eine Kugelmühle. Ziel der Arbeitsgruppe war, mechanische Kräfte, wie sie in der Erdgeschichte aufgetreten sind, zu simulieren. Das geschah ohne den Zusatz von Lösungsmitteln. Tatsächlich lief unter den Reaktionsbedingungen die Formosereaktion ab. Zahlreiche Mineralien eigneten sich, um den Vorgang zu katalysieren. Sie adsorbierten Formaldehyd. Daraus entstand zusammen mit Glykolaldehyd der Zucker Ribose. Er kommt unter anderem in Ribonukleinsäuren vor, die Erbinformationen von Lebewesen speichern. Aber auch höhere Zucker entstanden im Experiment. Gleichzeitig bildeten sich nur wenige Nebenprodukte wie Milchsäure oder Methanol. „Unsere Ergebnisse liefern eine plausible Erklärung für die Bildung von Zuckern in der festen Phase, aber auch in einer extraterrestrischen Umgebung, in der kein Wasser zur Verfügung steht“, sagt Trapp. Daraus ergeben sich neue Puzzleteile, die sich langsam in ein umfassendes Bild einfügen und wichtige Wege zur Entstehung von Leben aufzeigen. „Wir sind aber auch überzeugt, dass die gewonnenen Erkenntnisse völlig neue Perspektiven für die Forschung eröffnen werden“, ergänzt der LMU-Chemiker. Quelle: LMU, Pressemitteilung, 16.10.2020