Im aufstrebenden Forschungszweig der Synthetischen Biologie gehen Molekularbiologen nach Prinzipien aus der Ingenieurstechnik an Zellen oder biologische Systeme heran, um sie mit neuen Eigenschaften und Funktionen auszustatten. Eine der Königsdisziplinen der Zunft: Der Nachbau des kompletten Genoms eines Organismus. Abgesehen von den grundlegenden Erkenntnissen über die genetische Architektur von Lebewesen könnte ein künstliches Designer-Genom dazu dienen, einen maßgeschneiderten Produktionsorganismus zu entwickeln.
Synthetische Biologie auf höchstem Niveau
Für den Nachbau eines Chromosoms bedarf es jedoch jede Menge Tüftelarbeit und molekularbiologische Spitzenleistungen. Bisher war der Nachbau und die Übertragung eines Chromosoms im Labor bereits bei Bakterien gelungen. Diese sind aber einfacher aufgebaut und ihr Erbgut lässt sich leicht synthetisieren. Hefen jedoch sind einzellige Pilze, die einen Zellkern besitzen. Das Erbgut darin setzt sich aus insgesamt 16 Chromosomen zusammen. Die Schaffung des synthetischen Hefe-Chromosoms markiert deshalb einen bedeutenden Meilenstein für die Zunft der Synthetischen Biologen. Wie die Forscher um Jef Boeke von der New York University, berichten, hat es sieben Jahre gedauert, um eine intakte Minimalversion des Hefe-Chromosoms Nummer III zusammenzubasteln.
Abgespeckte Chromosom-Variante
Das künstliche Erbgutpaket setzten die Forscher schrittweise aus genau 272.871 Nukleotidbausteinen zusammen, während das Pendant aus der Natur mehr als 315.000 Bausteine aufweist. Evolutionsbedingt sind im Erbgut häufig verzichtbare Abschnitte oder sich wiederholende Informationen zu finden. Das Laborchromosom reduzierten die Forscher daher auf Teile, deren Nutzen bisher bekannt ist. Zunächst entwarfen sie SYNIII am Computer und fügten anschließend winzige DNA-Schnipsel zu längeren Strängen zusammen. Dabei war äußerst behutsames Vorgehen gefragt: „Eine falsche genetische Veränderung und die Zelle stirbt“, so Boeke. Die Forscher bauten in ihr SYNIII-Chromosom mehr als 50.000 Veränderungen ein. Als sie das Kunstchromosom nun in lebende Hefezellen einschleusten, blieben diese intakt und entwickelten sich auch mit dem synthetischen Ersatz normal weiter. Die durch das Designer-Chromosom molekular abgespeckten Zellen, so die Hoffnung der Forscher , lassen sich künftig besser für die biotechnische Produktion einsetzen, etwa für Treibstoffe oder Biotech-Medikamente. Die fehlenden Gene verhindern wiederum, dass die Minimal-Hefe sich in der Umwelt ausbreitet, sollten sie einmal aus dem Labor entweichen. Chromosom SYNIII ist der erste Baustein in einem Mammutprojekt namens “Sc2.0”. Hier haben sich neben US-Forschern noch Bioingenieure aus China, Australien, Singapur und Großbritannien das gemeinsame Ziel gesteckt, alle 16 Chromosomen der Bäckerhefe im Labor nachzubauen. Quelle: biotechnologie.de/pg