Die begrenzten Erdölvorräte und wachsenden Emissionen aus Verbrennungsprozessen machen zunehmend klar: So wie sie ist, kann die Energieerzeugung nicht bleiben. Eine Lösung des Problems hat das Team um den deutschen Pflanzenforscher Christian Wilhelm im Oktober veröffentlicht und zuvor patentiert. Gemeinsam mit dem Bioreaktorexperten Clemens Posten vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und dem Bremer Membranfachmann Norbert Räbiger hat der Algenexperte von der Universität Leipzig erstmalig weltweit den Konzeptbeweis erbracht, dass sich Sonnenlicht mit Hilfe von Mikroorganismen effizient in hochreines Erdgas umwandeln lässt. Vorteil des CO2-neutralen Prozesses gegenüber allem, was bisher bekannt ist: Er braucht weder Dünger noch eine aufwendige Gasaufreinigung. Trotzdem liefert er Erdgas, das sich direkt als Kraftstoff nutzen oder ins Erdgasnetz einspeisen lässt. „Alle Prozesse, die wir nutzen, sind von der Natur abgeschaut“, sagt der 60-jährige Technologiepionier. Um die Energie des Sonnenlichtes einzufangen, macht Wilhelm einiges anders als andere Forscher. „Alle Prozesse, bei denen das Sonnenlicht genutzt wird, um photosynthetische Algen wachsen zu lassen und anschließend aus ihrer Biomasse Energie zu gewinnen, haben ein grundsätzliches Problem“, so der Algenspezialist. „Rund 85 Prozent der Sonnenenergie werden allein schon durch die Prozesse verbraucht, die für das Wachstum erforderlich sind.“ Rechnet man die Energie dazu, die für die Algenkultur in Bioreaktoren ihre Aufreinigung und Fermentation benötigt werden, wird mehr Energie verbraucht als erzeugt. „Wir lassen die Algen deshalb nicht mehr wachsen, sondern verkürzen den Weg der Energiegewinnung vom eingestrahlten Lichtquant zum Energieträger Methan.“
Sonnenkollektor neuer Art
Mittel zum Zweck sind für Wilhelm photosynthetische Grünalgen. Bei hohen Sauerstoffkonzentrationen legen die Einzeller ihren Hauptstoffwechsel-Schalter um, das Photosyntheseenzym 1,5 Ribulosebisphosphat-Carboxylase/-Oxidase (RUBISCO). Sie nutzen die Sonnenenergie unter diesen Bedingungen nicht länger, um Kohlendioxid in Form von Zuckern zu fixieren und mit diesen Biomasse aufzubauen („Photosynthese“). Stattdessen bildet die RUBISCO das Stoffwechselzwischenprodukt Glykolat, das die Algen aus der Zelle pumpen („Photorespiration“). Das Glykolat wandeln dann unter Luftabschluss lebende Bakterien der Gattung Synthrophosphora oder aus Biogasanlagen biochemisch in Methan um. Die verfahrenstechnische Lösung, die die beiden Prozesse zusammenbringt, ist eine völlig neue Biosolarzelle. Der Smartphone-dicke, unter leichtem Überdruck stehende Mehrkammer-Bioreaktor koppelt die Umsetzungen so, dass möglichst wenig Energie verlorengeht. „In einem aeroben Kompartiment befindet sich ein auf eine flüssigkeitsgetränkte, gasdichte Membran gedruckter Algenbiofilm. Das von ihm gebildete Glykolat diffundiert über die 50 µm dicke Membran in das anaerobe Kompartiment, in dem die Bakterien ein 40:60-Gemisch aus Methan und Kohlendioxid produzieren. Das CO2 lässt sich in einer Gaswäsche leicht trennen und wieder in den Prozess einspeisen“, erklärt Wilhelm.
Mehr Energie als durch Maisvergärung
Wilhelms stoffwechseloptimierte Chlamydomonas-Algen liefern schon jetzt mehr Energie pro Fläche als die Maisvergärung zu Methan. Denn die Verluste durch Düngung, Ernte und Aufarbeitung entfallen. Doch ist der Prozess längst nicht ausgereizt. Mittel zur weiteren Optimierung soll eine sogenannte Typ2-RUBISCO aus einer erst vor kurzem entdeckten Meeresalge sein. Das Enzym setzt bei gleicher Proteinmenge etwa 10-mal mehr CO2 in Glykolat um als jenes aus Chlamydomonas. Dies würde den Flächenenergieertrag auf das 80-fache gegenüber Mais steigern. Der Reaktor hätte dann einen Wirkungsgrad von rund 15 Prozent und würde mit der gleichen Effizienz die Sonnenenergie in Form von Methan speichern, wie Solarpanels Strom erzeugen.
Erdgas an Autobahnen produzieren
Dass die Forscher ganzheitlich denken, merkt man an ihrem Nutzungskonzept. Sie wollen ihre vollständig biologisch abbaubaren, aufblasbaren Kunststoff-Solarmodule auf 40 Meter breiten Randstreifen der deutschen Autobahnen aufstellen. „Dies würde eine direkte Einspeisung des Methans in die zu den Tankstellen verlaufenden Erdgasleitungen ermöglichen,“ erklärt Wilhelm. Durch die erforderliche Pflege der Anlagen würden die Kommunen, in deren Besitz sich die Flächen befinden, von neu geschaffenen Arbeitsplätzen und zusätzlichen Steuereinnahmen profitieren. Bis 2017 sollen die ersten Pilotanlagen stehen. Dann geht Wilhelm in den Ruhestand. Quelle: biotechnologie.de/tg