Zu dem Treffen im Biocenter der LMU in Martinsried waren mehr als 200 Akteure der Synthetischen Biologie gekommen, darunter Pioniere des Fachs wie auch der ambitionierte Nachwuchs, so etwa dutzende Teilnehmer des studentischen Wettbewerbs iGEM. Die Konferenz markierte den Abschluss des CAS-Schwerpunkts „Synthetische Biologie“, der seit 2010 Forscher verschiedenster Disziplinen an der LMU zusammengeführt hatte. Das Herangehen an Zellen oder biologische Systeme in der Manier von Ingenieuren, so wurde in Martinsried deutlich, hat insbesondere die Grundlagenforschung beflügelt. Aber auch erste Anwendungen sind bereits in Sicht.
Auf dem Weg zum Biocomputer
Auch wenn biologische Systeme hochdynamisch sind und nicht einfach leblose Maschinen – in einigen Fällen ist es Forschern mittlerweile gelungen, Zellen so zu programmieren, dass sie einfache logische Operationen durchführen können. Simon Ausländer vom Department of Biosystems Science and Engineering der ETH Zürich in Basel hat es geschafft, Zellen mit einer Kombination aus verschiedenen genetischen Modulen und logischen Elementen auszustatten. „Unsere Zellen sind in der Lage, einfache binäre Berechnungen anzustellen“, erläuterte Ausländer. Grob zusammengefasst hat der Bioingenieur seine Säugerzellen im Labor mit molekularen Sensoren und Schaltern für zwei verschiedene Substanzen ausgestattet. Abhängig vom Vorhandensein von Stoff eins und/oder zwei kommt es in der Zelle zu einer charakteristischen Farbreaktion – die Zelle kann also addieren und subtrahieren. Was wie eine molekulare Spielerei anmutet, soll dereinst jedoch in eine medizinische Anwendung münden. „Unsere Vision ist ein smartes Zellimplantat“, sagte Ausländer. „Es kann im Körper verschiedene Biomarker messen, diese Werte integrieren und dann maßgeschneidert therapeutische Wirkstoffe herstellen“. Ausländer, dessen Zellcomputer-Arbeit kürzlich im Topjournal Nature (2012, Bd.487, S.123) veröffentlicht wurde, arbeitet in Basel im Labor von Martin Fussenegger. Dort sind auch tiermedizinische Anwendungen der Synthetischen Biologie in den Fokus gerückt, etwa intelligente Befruchtungskapseln für Kühe.
Designer-Organellen in Zellen gebildet
Eine Reihe weiterer Forschergruppen weltweit ist dabei, die Werkzeugkiste zum Programmieren von Zellen aufzufüllen. Meist stützen sie sich hierbei auf Erbinformation in Form von DNA oder RNA. Andere Spezialisten sind dabei, lebendige Zellen auch mit neuer „Hardware“, etwa mit neuartigen Proteinmolekülen, aufzurüsten. Der Chemiker Stefan Schiller vom Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) hat sich darangemacht, in Zellen künstliche Bläschen aufzubauen. „Unsere Bakterienzellen produzieren amphiphile Proteinmoleküle, die sich in der Zelle zu Hohlstrukturen zusammenlagern“, erläuterte Schiller. „Solche Designer-Organellen könnten sich als Reaktionsräume für bestimmte biotechnologische Prozesse eignen“, so Schiller, der sein Forschungsgebiet unter dem Begriff Bionische Chemie fasst.
HIV-Impfstoffkandidaten der neuesten Generation
Während solche Entwicklungen noch weiter weg von einer Anwendung sind, haben Prinzipien der Synthetischen Biologie heute durchaus schon in der klinischen Forschung Eingang gefunden. Ralf Wagner, Professor für Molekulare Mikrobiologie in Regensburg und Vorstandsvorsitzender der Gensynthese-Firma Geneart (IBB-Netzwerkmitglied), erläuterte, wie neueste Technologien bei der Jagd nach einem HIV-Impfstoff der nächsten Generation zum Einsatz kommen. Wie der Virologe beschrieb, ist sein Team dabei, eine dritte Generation einer HIV-Vakzine zu entwickeln. „Dabei kommen neueste bioinformatische Entwicklungen für das Gen- und Proteindesign zum Einsatz“, so Wagner. „Das Pockenvirus, das wir als Vehikel für unser Antigen verwenden, können wir wie ein Chassis maßschneidern und so die Immunantwort zusätzlich feintunen“, so Wagner. In Primatenstudien habe der neue Vakzin-Kandidat schon vielversprechende Ergebnisse gezeigt. In der sogenannten Pox-Protein Public Private Partnership (P5), an der neben den Pharmariesen Novartis und Sanofi auch die Bill & Melinda Gates-Stiftung beteiligt ist, sollen die Studien zu dem neuen Kandidaten weiter vorangetrieben werden.
Wasserzeichen ins Gen eingeprägt
Dazu präsentierten Entwickler von Geneart bei der Posterausstellung der Konferenz auch eine Anwendung, die für die Sicherung geistigen Eigentums bei Genkonstrukten interessant werden könnte: Molekulare Wasserzeichen, mit denen man einen binären Code als Botschaft permanent in Gensequenzen einbauen kann – die Forscher nennen ihre Methode Stenographie. „Damit lassen sich Genkonstrukte quasi mit einem digitalen, genetischen Barcode versehen“, erläuterte Wagner im Gespräch mit biotechnologie.de. So eine Anwendung sei nicht nur urheberrechtlich, sondern auch für die Impfstoffentwicklung interessant. Denn das Verfahren erlaube, zwischen einer natürlichen Infektion und einer durch Impfung ausgelösten Immunreaktion zu unterscheiden.
Mikroben als Biodiesel-Fabriken
Mit dem Kalifornier Jay Keasling war auch ein Vorreiter der Bioingenieurs-Szene in Martinsried zu Gast. Keasling beschäftigt sich in seinem Labor in Berkley mit Biotreibstoffen der zweiten Generation: Er möchte Mikroben darauf trimmen, aus pflanzlichen Rohstoffen auf direktem Weg Biodiesel-Treibstoffe herzustellen. „Da Enzyme für den Aufschluss von Pflanzenfasern sehr teuer sind, versuchen wir die Mikroben so aufzurüsten, dass sie einen ganzen Cocktail an benötigten Spezialenzymen herstellen können“, so Keasling. Gleichzeitig versuchen die Forscher derzeit, ihre multifunktionalen Mikroben robuster zu machen, denn viele der hergestellten Biotreibstoffe seien toxisch für die Zelle. Die drei Tage Werkschau zur Synthetischen Biologie in Martinsried haben einmal mehr gezeigt, wie dynamisch sich das Feld entwickelt. Am CAS überlegen die Forscher nun, wie sich ihr Zusammenschluss in einem Schwerpunkt auch in Zukunft gestalten lässt. Quelle: biotechnologie.de/pg