Süd-Chemie: Katalysator für Technologien mit Zukunft
07.04.2012
München. Der jüngste Wandel in der Unternehmensgeschichte der Süd-Chemie (IBB-Netzwerkmitglied) hatte sich bereits vor einigen Jahren, mit dem Einstieg der Investorengruppe One-Equity Partners (OEP), abgezeichnet. Bis dahin hatte das weltweit mit rund 80 Gesellschaften in allen Erdteilen bereits seit den 60-er Jahren global aufgestellte, aber dennoch stark in Bayern verwurzelte Unternehmen eine stabile Aktionärsstruktur mit dem Charakter eines Familienunternehmens — trotz einer Mitarbeiterzahl von über 6700 und einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Dann verkauften die Allianz AG und zwei Stiftungen ihre Anteile an einem der tradtionsreichsten deutschen Chemie-Konzerne an die OEP. Die nächsten zu erwartenden Schritte folgten im vergangenen Jahr. Der Clariant-Konzern mit Sitz in Pratteln (früher Muttenz) bei Basel in der Schweiz hat die Aktienmehrheit von zunächst über 95 Prozent am Süd-Chemie-Konzern übernommen. Im Herbst folgten Squeeze-Out und Abfindung der verbliebenen Klein-Aktionäre. Den Gesamtdeal mit einem Volumen von über zwei Milliarden Euro finanzierte die Clariant AG zum Teil in bar und zum Teil in einem Aktientausch an Großaktionäre der Süd-Chemie. Im Dezember endete die Börsennotierung des Unternehmens. „Damit endet aber mit Sicherheit nicht die Unternehmensgeschichte“, sagt Dr. Günter von Au, der seit 2004 den Vorstandsvorsitz im Süd-Chemie-Konzern inne hatte: „Aber sie tritt in eine neue Phase.“ Unter allen Interessenten, die den Konzern übernehmen wollten, sei die Clariant AG mit Sicherheit der beste Partner, sagt der scheidende Vorstandsvorsitzende, Dr. Günter von Au. Als weltweit führender Konzern der Spezial-Chemie für Katalysatoren und Adsorbentien eröffne sich der Süd-Chemie in der Clariant AG bestes Potenzial für Synergien — zum einen mit dem Know-How der enorm forschungsintensiven Unternehmen der Süd-Chemie, aber zum andern auch mit dem Engagement im südöstlichen Bayern und den Produktionsstandorten der Clariant AG weltweit. In der Katalyse-Forschung hat die Süd-Chemie außerdem im Herbst 2010 eine Allianz mit der TU München mit einem Investitionsvolumen von 20 Millionen Euro gegründet. Dr. Günter von Au wechselte zum 1. April dieses Jahres in den neunköpfigen Verwaltungsrat der Clariant AG. Als stellvertretender Präsident gehört er dem Präsidium des höchsten Gremiums der Clariant AG an. Der Verwaltungsrat des Chemie-Konzerns nach Schweizer Recht ist stärker ins operative Geschäft eingebunden, als das für einen deutschen Aufsichtsrat vorgesehen ist. Zum Beispiel hat auch der Vorstandsvorsitzende der Clariant AG einen Sitz im Verwaltungsrat. Drei der neun Sitze werden von Vertretern der Süd-Chemie gehalten. Die Wurzeln der Süd-Chemie reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Gegründet wurde das Vorgänger-Unternehmen vom „Vater der bayerischen Chemie“, von Justus von Liebig zusammen mit drei Partnern. Erster Schwerpunkt war die Herstellung von Kunstdünger im Werk in Heufeld bei Rosenheim, um der bayerischen Landwirtschaft einen gewaltigen Produktivitätsimpuls zu geben. Im Lauf der Jahrzehnte wandelte sich das Produktspektrum über die industrielle Nutzung von Bleicherde bis hin zu den modernen Adsorbentien und Katalysatoren. Als Adsorbentien werden meist feste Stoffe bezeichnet, die in der Lage sind, bestimmte Stoffe aus einer benachbarten gasförmigen oder flüssigen Phase an ihrer Grenzfläche selektiv anzureichern (zu adsorbieren). Als Katalysatoren bezeichnet man in der Chemie Stoffe, welche die Reaktionsgeschwindigkeit durch die Senkung der Aktivierungsenergie einer chemischen Reaktion erhöhen, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Sie beschleunigen die Hin- und Rückreaktion gleichermaßen und ändern somit die Kinetik chemischer Reaktionen. 80 Prozent aller chemischen Reaktionen nutzen Katalysatoren zur Umweltschonung und höheren Energieeffizienz. Genau in diesem Spektrum fußen Selbstverständnis und Selbstverpflichtung der Süd-Chemie — auch unter dem Dach des Clariant-Konzerns: „In der Wertschöpfungskette der Industriekunden einen effizienten Ressourceneinsatz zu gewährleisten und zu einem sparsamen Umgang mit natürlichen Rohstoffen beizutragen.“ Produkte und Technologien kommen ebenso in chemischen und petrochemischen Herstellungsprozessen zum Einsatz wie in der Wasserstoffproduktion sowie in der Abluft und Abgasreinigung. Innovationen in den Bereichen Energiespeicherung und Biotreibstoffe versprechen Impulse für Zukunftsmärkte. Der Clariant-Konzern entstand in den 90-er Jahren im wesentlichen aus der ehemaligen Spezial-Chemie Sparte des Hoechst-Konzerns und der Chemie-Sparte des Sandoz-Konzerns, während die Pharma-Sparte des Hoechst-Konzerns mit Rhône-Poulenc zu Aventis fusionierte und nach einer weiteren Fusion mit Sanofi zu Sanofi-Aventis mutierte. Aktuell beschäftigt Clariant weltweit rund 23000 Mitarbeiter und erzielt einen Jahresumsatz von über sieben Milliarden Euro. Im südöstlichen Bayern ist Clariant nun mit dem konzern- und weltweit größten Standort für Funktions-Chemikalien in Gendorf im Landkreis Altötting präsent, mit den Süd-Chemie Standorten Heufeld bei Rosenheim und Moosburg an der Isar sowie dem Joint-Venture mit der amerikanische Ashland-Gruppe in Hart an der Alz, dem Clariant-Standort in Gersthofen — alles in allem rund 3300 Arbeitsplätze. Auch die Süd-Chemie-Zentrale in München mit dem Entwicklungszentrum in Obersendling und die Pilotanlage zur Gewinnung von Bioethanol aus pflanzlichen Rohstoffen, die nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion stehen, in Straubing in Niederbayern, bleiben Säulen in der Region. (…mehr zur sunliquid-Technologie) Quelle: Passauer Neue Presse