Nachhaltige industrielle Wertschöpfung durch Bioökonomie – innovativ, zirkulär, biointelligent
30.09.2019
Mehr als 110 Teilnehmende aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik folgten der Einladung des Fraunhofer-Verbunds Life Sciences zum Tag der Bioökonomie am 26. September 2019 ins Fraunhofer-Forum Berlin, um mit Experten und Akteuren die vielfältigen Perspektiven und Potenziale der Bioökonomie im Kontext der »Biologischen Transformation« zu diskutieren. Zahlreiche Fraunhofer-Forschende arbeiten in diesem Kontext daran, Materialien, Strukturen und Prinzipien der belebten Natur für die Technik nutzbar zu machen, in konkreten Produkten anzuwenden und im gesellschaftlichen Kontext zu verstehen.
Bioökonomie: Zentrale Säule der Biologischen Transformation
»Die Bioökonomie wird nicht nur entscheidend zur Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftssysteme wie der Kreislaufwirtschaft beitragen, sondern ist darüber hinaus eine der zentralen Säulen der fortschreitenden »Biologischen Transformation« unserer Gesellschaft«, sagte Professor Horst-Christian Langowski, Sprecher des Fraunhofer-Verbunds Life Sciences, in seiner Begrüßung. In seinem anschließenden Vortrag erläuterte Langowski: »Mit der Erschließung neuer biogener Rohstoffquellen wie aquatischen Organismen und Kryoalgen, innovativen Kaskaden- und Kreislaufprozessen und nachhaltigen Wertschöpfungsnetzen legt Fraunhofer vielfältige Grundlagen für alle Bereiche der Bioökonomie«. So wurden in den Instituten des Verbunds auf der Basis von erneuerbaren Rohstoffen und CO2 bereits antioxidative Stoffe aus Mikroalgen und Lupinenproteine als Nahrungsergänzungsmittel, recycelte Düngemittel, Autoreifen aus Kautschuk und »grüne« chemische Grundstoffe entwickelt.
Die Biologische Transformation hat längst begonnen
»Die Biologische Transformation hat längst begonnen«, ist Dr. Markus Wolperdinger, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart, überzeugt. »So erschließen wir bereits jetzt Rohstofffraktionen, die bisher stofflich nicht genutzt werden konnten, für eine neue industrielle Wertschöpfung«, macht Wolperdinger in seinem Vortrag deutlich. »Und im Zusammenspiel mit den digitalen Technologien einerseits und dem Ineinandergreifen von Lebens‑, Material- und Produktionswissenschaften andererseits werden wir zukünftig Produkte aus vielen Rohstoffen mittels »biointelligenter« Verfahren herstellen können. Dieser Ansatz wird völlig neue Möglichkeiten eröffnen, um drängende, gesellschaftlich relevante Fragen erfolgreich zu adressieren.«
Wasser – Basis der Bioökonomie
»Wasser – Basis der Bioökonomie« lautete der Titel des Tandemvortrags von Dr. Ursula Schließmann und Dr. Marius Mohr vom Fraunhofer IGB. Denn Wasser ist nicht nur unser wichtigstes Lebensmittel, sondern auch elementar für die Landwirtschaft, die weltweit bis zu 70 Prozent des benötigten Wassers beansprucht. In ihrem Vortrag stellten sie dar, wie das Institut Abwasser als Ressource im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie nutzt: Beispielsweise, indem Klärschlamm mit einem Hochlastverfahren zu wertvollem Biogas umgewandelt oder Phosphor aus kommunalem Abwasser mit einem elektrochemischen Verfahren zurückgewonnen wird. »Oder wir setzen nährstoffreiches gereinigtes Abwasser zur Kultivierung von Mikroalgen ein. Die Algen binden CO2 und produzieren daraus verschiedenste Biopolymere, die sich als Zusatzstoffe für Futtermittel, als Pflanzenstärkungsmittel oder auch als Biokunststoffe einsetzen lassen. Damit leisten wir einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz«, ergänzt Schließmann, die den Strategieprozess »Nachhaltige Bioökonomie« der baden-württembergischen Landesregierung als Technologie-Expertin begleitete. Auch die Wiederverwendung von Wasser ist ein brandaktuelles Thema, wie nicht zuletzt die trockenen Sommer selbst hierzulande gezeigt haben. »Unsere Pilotversuche im Projekt Hypowave zeigen, dass Salatpflanzen mit gereinigtem Abwasser in hydroponischen Systemen wachsen und gleichzeitig die Nährstoffe aus dem Wasser entnehmen«, resümiert Mohr die Ergebnisse des Projekts.
Nachhaltigkeit hat ihren Preis
Was wäre, wenn wir beim Kauf von Produkten die Nachhaltigkeit ihrer Produktion mit bezahlen? Wenn nicht nur Niedriglöhne und derzeit günstige fossile Rohstoffe den Preis bestimmen, sondern auch Wasser- und Ressourcenverbrauch oder der CO2-Fußabdruck? Und die Folgekosten für Klimaschutz und Umweltmaßnahmen, fest im Kaufpreis kalkuliert, finanzielle Anreize für einen nachhaltigem Konsum liefern würden? Diese Fragen stellte zum Abschluss der Veranstaltung ein Team um Dr. Fabian Haitz, der am Fraunhofer IGB im Bereich der industriellen Biotechnologie forscht. Haitz ist eines der Nachwuchstalente, die im Rahmen des Förderprogramms Fraunhofer Young Research Class mit kreativen Ideen neue Impulse zum Leitthema Biologische Transformation setzen. »Im Projekt BioCoinect erarbeiten wir die Kriterien für ein Anreizsystem, um nachhaltige, auf erneuerbaren Rohstoffen basierende Kreislaufwirtschaften zu stärken«, so der Nachwuchsforscher. »Wenn wir beispielsweise petrobasierte Kunststoffe durch biobasierte Alternativen aus erneuerbaren Rohstoffen ersetzen, schonen wir fossile Rohstoffe und reduzieren gleichzeitig CO2-Emissionen. Auch die Wiederverwendung von Kunststoffen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft verursacht bei der Aufbereitung zusätzliche Kosten. Dies trägt zum bevorzugten Einsatz neu produzierter Materialien bei, was die Etablierung von Kreislaufwirtschaften hemmt. Diesen Gesichtspunkten sollte in der Preisgestaltung Rechnung getragen werden.« Die Denkanstöße regten die Teilnehmer über das Ende der von Sybille Seitz moderierten Veranstaltung hinaus zu Diskussionen an. In einem aber waren sich alle Akteure einig: Die Bioökonomie und die Biologische Transformation werden unsere Gesellschaft weiter verändern – mit innovativen, ressourceneffizienten und zirkulären, auch immer mehr biointelligenten Produktionssystemen, die sich auf alle Bereiche der Wertschöpfung auswirken. Quelle: Fraunhofer IGB, Pressemitteilung, 26.09.2019