Die Verschmutzung der Meere durch Kunststoffe und andere Abfälle bedroht zunehmend die marinen Ökosysteme – und weil sich Schadstoffe beispielsweise in Fischen und Schalentieren anreichern, gelangen sie über die Nahrungskette auch zurück zum Menschen. Besonders problematisch sind winzige, weniger als fünf Millimeter große Mikroverunreinigungen. Dazu gehören unter anderem Mikroplastik und Textilfasern, aber auch Schadstoffe, die etwa aus Putzmitteln oder Kosmetika stammen. Um die lokale Verschmutzung zu bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, ist es wichtig, diese Belastungen zu quantifizieren. Ein Team um Professor Gert Wörheide vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften und GeoBio-Center der LMU berichtet nun im Fachmagazin Environmental Pollution, dass marine Schwämme als Bioindikatoren für Mikroverunreinigungen großes Potenzial haben. Schwämme werden umgangssprachlich auch als „Staubsauger der Meere“ bezeichnet. Sie nehmen natürlicherweise anorganische Partikel aus der Umgebung auf, um sie in ihr Skelett einzubauen. Um ihre potenzielle Eignung als Bioindikatoren für Schadstoffe zu untersuchen, analysierten die Wissenschaftler Hornkieselschwämme aus einem Korallenriff vor der Bangka-Insel in Nord-Sulawesi/Indonesien. „Diesen Ort haben wir gewählt, weil Südostasien ein Hotspot für die Plastikverschmutzung im Meer ist“, sagt Elsa B. Girard, die Erstautorin der Studie, die im Rahmen ihrer Masterarbeit im internationalen Masterstudiengang „Geobiology and Paleobiology“ an der LMU durchgeführt wurde. „Natürliche Bioindikatoren für Belastungen mit Mikroverunreinigungen könnten den Korallenriffen unter dem Druck des Klimawandels und der Übernutzung helfen, um gezielt Gegenmaßnahmen zu entwickeln.“ Die Wissenschaftler verwendeten in Kooperation mit der SNSB-Mineralogische Staatssammlung München und dem Department of Chemistry and Center for Nanoscience (CeNS) zwei innovative Methoden, um die Schwämme zu untersuchen. Mithilfe der Zwei-Photonen-Anregungs-Mikroskopie (TPE) konnten sie zeigen, dass die Schwämme tatsächlich Mikropartikel in ihr Gewebe einbetten. Mit der sogenannten Raman-Spektroskopie, mit der die chemische Zusammensetzung von Substanzen zerstörungsfrei untersucht werden kann, wiesen die Wissenschaftler insgesamt 34 verschiedene Mikropartikel-Typen nach. Darunter waren Kunststoffe wie Polystyrol sowie Baumwollfasern und Titandioxid, das unter anderem in Farben und Lacken und als Bestandteil von Sonnenschutzmitteln eingesetzt wird. Insgesamt lagerten die Schwämme zwischen 90 und 600 Partikel pro Gramm trockenes Gewebe ein. „Da Schwämme mehrere Hundert Gramm wiegen können, schätzen wir auf der Grundlage dieser Ergebnisse, dass sie mehr als 10.000 Partikel anreichern können“, sagt Wörheide. „Dies macht sie zu vielversprechenden Kandidaten, um die von Menschen verursachte Verschmutzung mit Mikropartikeln im Meer zu überwachen.“ Abgesehen von Muscheln gibt es dafür bisher kaum marine Bioindikatoren. Schwämme sind nach Ansicht der Wissenschaftler auch deshalb gut geeignet, weil sie häufig vorkommen, permanent filtern und auch nicht getötet werden müssen, um die Belastung zu messen – eine Biopsie reicht, und der beprobte Bereich wächst schnell wieder nach. Quelle: LMU, Pressemitteilung, 21.10.2020