Konferenzrückblick: “Microplastic in the Environment”
21.12.2015
170 Teilnehmer aus 20 verschiedenen Ländern zog es zur internationalen Konferenz und Ausstellung „Microplastic in the Environment“, die am 23. und 24. November 2015 in Köln stattfand und vom nova-Institut ausgerichtet wurde. Die Beteiligten erhielten Informationen aus erster Hand zu den Ursprüngen von Mikroplastik und dessen Auswirkungen auf die Umwelt. Auf dieser Basis wurde über mögliche Lösungen diskutiert – unter anderem biologisch abbaubare Kunststoffe für spezifische Anwendungen. Die Teilnehmer aus den verschiedensten Bereichen, etwa dem Meeres- und Umweltschutz, der Kunststoff- und Recyclingindustrie wie auch der Bioökonomie setzten sich an einen Tisch, tauschten sich in angeregten Diskussionen aus und lernten dabei viel voneinander.
Herkunft von Mikroplastik
Studien zeigen immer wieder auf, dass der Großteil des in Ozeanen und Binnengewässern gefundenen Abfalls aus Kunststoffen besteht. Neben größeren Gegenständen wie Plastikflaschen und ‑tüten wird auch immer wieder Mikroplastik in Gewässern, Sedimenten, Meereis und an Stränden der Weltmeere nachgewiesen. Als Mikroplastik werden Kunststoffpartikel mit einem Durchmesser von unter 5 mm bezeichnet. Sie können als sekundäre Fragmente beim Abbau großer Kunststoffteile wie Verpackungsmaterial entstehen oder aus Fasern, die sich beim Waschen von Textilien lösen. Sie können aber auch direkt in mikroskopischer Größe als primäre Kunststoffteilchen produziert werden. Dies schließt auch Partikel ein, die in Kosmetika (als sogenannte „Microbeads“) und anderen Anwendungen wie Strahl- und Waschmitteln sowie Reinigungsprodukten genutzt werden. Die weltweite Kunststoffproduktion wurde 2014 auf 311 Millionen Tonnen geschätzt – „Der Anteil der europäischen Kunststoffindustrie hieran beträgt ca. 20 %“, sagt Dr. Ingo Sartorius vom Verband der Kunststofferzeuger PlasticsEurope, „und diese Kunststoffe werden für zahlreiche Produkte im Verpackungswesen, Bau, der Elektronikbranche und anderen Märkten verwendet“. Kunststoffprodukte bieten zahlreiche Möglichkeiten zur Verbesserung der Ressourceneffizienz. Typische Beispiele dafür sind Leichtbauteile im Transportwesen und Wärmedämmung von Kühlschränken oder Häusern. Prof. Dr. Christian Bonten (Universität Stuttgart) beschreibt deshalb die Abwertung von Kunststoffen als die Geschichte eines einstigen Werkstoffes unbegrenzter Möglichkeiten zu umweltgefährdenden Schadstoff und wägt dabei die Unmöglichkeit unserer modernen Gesellschaft ohne Kunststoffe einerseits, gegen die Umweltprobleme, die Kunststoffprodukte andererseits verursachen können, ab. Auch wenn es noch viele Wissenslücken gibt, so geht man doch davon aus, dass rund 10 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle pro Jahr in die Meere gelangen. Über die Einträge in Binnengewässer und Böden ist noch weniger bekannt. Viele Mikroplastik-Quellen konnten bereits identifiziert werden, z. B. Handseife, Zahnpasta, Lösungs- und Reinigungsmittel und sekundäre Quellen wie Reifenabrieb, Straßenmarkierungen oder Granulate auf Spielplätzen. Eine Studie, die Eunomia für die Europäische Kommission durchführte, schätzt die jährliche Verschmutzung der Meeresumwelt durch Mikroplastik in Europa auf 25.000 bis 60.000 Tonnen Reifenabrieb, 25.000 bis 50.000 Tonnen Verluste von Pellets, 8.000 bis 52.000 Tonnen Textilfasern, 12.000 bis 30.000 Tonnen Fassadenfarben, 8.000 bis 18.000 Tonnen Straßenmarkierung, 3 bis 9 Tonnen Kosmetika und weniger als 5 Tonnen Schiffsanstrich. Die Diskussionen im Rahmen der Konferenz machten deutlich, dass es einen enormen Bedarf nach Forschung zur Quantifizierung der Quellen, zu Eintrittswegen und dem Schicksal von Mikroplastik in der Umwelt gibt. Roland Essel, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung des nova-Instituts fasst zusammen: „Mikroplastik aus kosmetischen Produkten spielt nur eine kleine, dafür aber leicht zu vermeidende Rolle in der Verschmutzung der Umwelt. Wir können jedoch von einer tickenden Zeitbombe reden, da wir im Hinterkopf behalten müssen, dass durch Abbauprozesse größere Teile von Kunststoffabfall – die Hauptquelle von Verunreinigungen – nach und nach in Mikroplastik umgewandelt werden“.
Folgen von Mikroplastik
Meeresverschmutzung ist bekanntermaßen verantwortlich für negative Auswirkungen auf die Gesundheit von über 600 Tierarten. Über die Hälfte der Spezies verschlucken Kunststoffteile oder verwickeln sich in ihnen. Die Bestandteile von Mikroplastik können giftig sein oder endokrine Wirkungen haben. Zudem könnten Meeresorganismen, die Mikropartikel aus Kunststoff zu sich nehmen, auch höheren Dosen langlebiger organischer Schadstoffe ausgesetzt sein, die an der Oberfläche von Mikroplastik haften. Dadurch besteht die Gefahr giftiger Stoffe, die sich im Nahrungsnetz ansammeln, eine Vielzahl von Tierarten und dadurch schließlich Menschen schädigen. Daher sieht Prof. Richard Thompson von der Universität Plymouth (UK) die Herausforderung dieses Jahrhunderts darin, „die Vorteile von Kunststoffen zu wahren ohne die Umwelt durch die Abfälle zu schädigen.“
Lösungen?
Es herrschte Einvernehmen darüber, dass grundsätzlich alle Kunststoffabfälle gesammelt und stofflich recycelt oder energetisch verwertet werden sollten, weder die Endlagerung in Deponien noch die Entsorgung in die Umwelt seien akzeptabel. Auch biologisch abbaubare Kunststoffe sollten nie in die Meere entsorgt werden – insbesondere da die Abbaubedingungen in der marinen Umwelt generell ungünstig und schwer einzuschätzen sind. Der Geschäftsführer des nova-Instituts, Michael Carus, warf ein, dass es eine Reihe von Kunststoffanwendungen gibt, „bei denen die Erzeugnisse nach der Nutzung in die Umwelt gelangen und nicht gesammelt werden können, z. B. Microbeads in Kosmetika, Hygieneartikel, die durch die Kanalisation entsorgt werden, Fischereigeräte oder Produkte in der Land- und Forstwirtschaft. Biologische Abbaubarkeit könnte in diesem Bereich, aber nur hier, eine interessante Option sein.“ Schon jetzt gibt es Kunststoffe, die unter diversen Umweltbedingungen vollständig biologisch abbaubar sind, einige davon auch im Meer. Auf der Konferenz legten führende Experten den Status Quo internationaler Standards, Normen und Label im Bereich biologischer Abbaubarkeit unter unterschiedlichen Umweltbedingungen dar, beispielsweise für industrielle und private Kompostierung, Böden, Süß- und Salzwasser. Dazu stellten mehrere Unternehmen innovative Werkstoffe für Spezialanwendungen wie Mulchfolien, Textilien oder Microbeads, die auf Stärke, Cellulose-Fasern oder dem neuen Biopolymer PHA basieren, vor. In den Debatten wurde immer wieder betont, welche große Herausforderung es darstellt, Information und Kommunikation zu verbessern und jegliches Greenwashing zu vermeiden. Alle Sprecher waren sich darin einig, dass sogenannte „oxo-abbaubare“ Kunststoffe Kunden in die Irre führen und verboten werden sollten: Sie stellen keine Lösung des Problems dar, sondern sind im Gegenteil eine zusätzliche Mikroplastik-Quelle. „Oxo-abbaubare“ Kunststoffe werden durch UV-Licht lediglich fragmentiert und werden zu kleinen Mikropartikeln, die nicht biologisch abbaubar sind, sondern für 400 – 500 Jahre in der Umwelt bleiben, genau wie andere petrochemische Standardkunststoffe auch. Letztendlich besteht ein Großteil des Problems jedoch im menschlichen Verhalten. Und wie Ramani Narayan (Michigan State University, USA) es zusammenfasst: „Die Meeresumwelt ist keine Müllhalde, Produkte sollten daher nicht zur Entsorgung im Meer konzipiert werden.“ Und: „Produkte wie Microbeads sollten so designt werden, dass sie in Kläranlagen biologisch abgebaut werden können. Sie sollten die Meere also niemals erreichen.“ Die Präsentationen der Konferenz „Microplastic in the Environment – Sources, Impacts & Solutions“ sind für 100€ erhältlich auf: http://bio-based.eu/proceedings Quelle: nova-Institut GmbH