Im „Biopos“-Forschungsinstitut entstehen die Ausgangsstoffe für Shampoo, Kosmetik, Klebstoffe und Folien
11.06.2012
TELTOW — Die Weltbevölkerung wächst, ihre materiellen Bedürfnisse wachsen mit, doch die fossilen Ressourcen der Erde sind endlich und manche schon absehbar verbraucht. In ferner Zukunft dürfte also nachwachsende Biomasse die entscheidende Rohstoffquelle für alle diejenigen nützlichen Produkte sein, die uns heute umgeben, vom Kunststoff bis zum Haarshampoo. Doch wie lassen sich die dafür wichtigen Rohstoffe wie Eiweiße (Proteine), Zucker, Mineralstoffe und andere als Ausgangssubstanzen für eine größere Palette von gebrauchsfähigen Endprodukten gewinnen? Dazu wird in Deutschland seit etwa zehn Jahren eine sogenannte „Bioraffinerie“-Forschung betrieben, auf EU-Ebene seit drei Jahren. Derzeit ist ein Arbeitskreis aus 24 Partnerinstitutionen, vom Verband der Chemischen Industrie über Fraunhofer-Institute bis zum Biomasse-Forschungszentrum Leipzig, mit der Erarbeitung einer „Roadmap Bioraffinerien 2030“ befasst. Zu diesem Gremium gehört auch das 15 Mitarbeiter zählende „Forschungsinstitut Bioaktive Polymersysteme (Biopos)“ in Teltow-Seehof. Dort sind die ingenieurtechnischen Planungen für eine konzeptionell angedachte Demonstrationsanlage „Grüne Bioraffinerie“ abgeschlossen. Sie soll im havelländischen Selbelang entstehen und dort das bereits vorhandene Grüngut-Trockenwerk der Futtermittel Selbelang GmbH mit nutzen. „Biopos“ will zunächst in einer modernen Schneckenpresse Saft aus naturnassem Gras, aus Klee und Luzerne gewinnen. Darin sind vor allem verschiedene Zucker, Proteine und Mineralstoffe gelöst. Die Proteine lassen sich dann in einem „Koagulator“ bei 60 – 75 Grad Celsius ausflocken und in einem sich anschließenden „Dekanter“ in wertvolle Primärsubstanzen für Haarkosmetika oder Klebstoffe und in futtertaugliche Eiweißstoffe für Jungtiere trennen. Nach Passieren von Trocknungsvorrichtungen liegen die Proteine transportfähig gepulvert vor. Der vom Eiweiß befreite zuckerhaltige Saft lässt sich in sogenannten „Fermentern“ mittels spezieller Bakterienkulturen zum Beispiel in Biogas oder in Milchsäure umwandeln. Aus Milchsäure wiederum können Kosmetika, Lösungsmittel, Lacke und biologisch abbaubare Kunststoffe (Polylaktate) gewonnen werden. „Seit etwa zwei Jahren haben wir neben der Grünen auch die Trockene Bioraffinerie im Blick, besonders auf die Verarbeitung von Stroh bezogen“, erklärt „Biopos“-Chefin Birgit Kamm, die das Fachgebiet Bioraffinerietechnik als Professorin an der BTU Cottbus vertritt. Von Interesse sind vorrangig die vielseitigen, vor allem in der Stroh-Cellulose „verborgenen“ Zucker. Sie werden in Hochdruckautoklaven mit Wasserdampf und einem zugesetzten speziellen Enzym als zunächst unansehnliche, schmierige Flüssigkeit freigesetzt. Etwa ein Drittel der Strohmasse bleibt danach zurück. Es ist die Stützsubstanz Lignin. Den Strohzucker exportiert „Biopos“ im Rahmen eines EU-Projektes zu Partnern in Spanien und Portugal. Die gehören einem Konsortium aus neun Ländern an, das sich mit der umweltfreundlichen Umwandlung von Strohzucker in Grundmaterial für Folien, Fasern und Formkörpern befasst. Im Fokus der „Biopos“-Forscher steht allerdings auch schon die Gewinnung von Grundchemikalien wie Phenol aus dem chemisch schwer abbaubaren Lignin, „wenn es gelingt.“ (aka) Quelle: maerkischeallgemeine.de