EU ändert Biokraftstoffpolitik – Quoten für Biokraftstoffe der ersten Generation angedacht
25.09.2012
Die Europäische Kommission hat in 15 Studien verschiedene Pflanzenarten, die für Biokraftstoffe genutzt werden, untersuchen lassen. Die Untersuchungen zeigten: binnen zehn Jahren wird sich die aktuelle Biokraftstoffstrategie der EU indirekt auf rund 4,5 Millionen Hektar Land auswirken. Auf mehr und mehr Flächen müssen Energiepflanzen angebaut werden, um den Bioethanol und Biodieselmarkt zu bedienen. Solche indirekten Landnutzungsänderung sind ein entscheidendes Argument gegen Biokraftstoffe der ersten Generation – nicht nur in der EU, sondern weltweit. Werden auf Agrarflächen verstärkt Energiepflanzen angebaut, verringern sich die Produktionsflächen für Nahrungsmittel und Tierfutter. Zum Ausgleich werden andernorts neue Flächen erschlossen. Die Folgen sind zum Teil erheblich, denn es werden auch Wälder gerodet oder Moore trocken gelegt. Damit sinkt die CO2-Aufnahme- und Speicherkapazität. Bei Brandrodungen entweichen zudem erhebliche Mengen an CO2 in die Atmosphäre. Die Umwidmung von Flächen wirkt sich über Umwege also auf das Klima aus, selbst wenn ursprünglich beabsichtigt war, mit der neuen Flächennutzung CO2 aus fossilen Quellen zu vermeiden. Unterbleibt der Flächenausgleich, so die Argumentation der EU, werden weniger Nahrungs- und Futtermittel produziert. Die Folge: der Hunger in der Welt nimmt zu. Diese Annahme ist zwar umstritten, für die EU aber dennoch maßgeblich.
Abkehr von Kraftstoffen aus Stärke oder Pflanzenölen
Aus diesen Gründen gibt es in der EU neuerdings Überlegungen, Biokraftstoffe der ersten Generation, also Kraftstoffe aus Nahrungs- und Futterpflanzen wie Mais, Weizen oder Raps, nicht weiter zu unterstützen. Das geht aus einer Mitteilung der EU vom 11. September hervor (siehe in Verbindung stehende Artikel am Ende der Nachricht). Es zeichnet sich ab, dass die EU ihre Energiepolitik grundlegend ändern wird. Konkret sollen bis 2020 nur noch fünf Prozent des Kraftstoffs, der in der EU für Transportzwecke verwendet wird, aus Biokraftstoffen der ersten Generation stammen. 2011 hatten diese Kraftstoffarten laut EU einen Anteil von 4,5 Prozent erreicht. Der Entwicklungsspielraum nach oben ist für den Markt damit so gut wie ausgeschöpft. Einschnitte gibt es auch bei der Förderung. Im Jahr 2020, dem Ende der aktuellen Legislaturperiode, wird die Subvention für diese Kraftstoffe auslaufen.
Zehn-Prozent-Ziel bleibt
Trotz des Strategiewechsels will die EU am Zehn-Prozent-Ziel festhalten. Dieses fordert, dass 2020 in der EU zehn Prozent des Kraftstoffs für Transportzwecke aus nachwachsenden Rohstoffen stammen sollen. Es muss Ersatz her für Mais und Co. Künftig sollen insbesondere organische Abfälle aber auch Algen die Rohstoffbasis für Biokraftstoffe bieten. Des Weiteren wird Lignozellulose als Substrat an Bedeutung gewinnen.
Rechentrick
Bio-Abfälle, Algen und Lignozellulose haben eines gemeinsam: Sie werden 2020 noch nicht für die bedarfsdeckende Massenproduktion von Kraftstoffen genutzt werden können. Die Verfahren befinden sich momentan bestenfalls in Pilotphasen. Daher will sich die EU eines Rechentricks bedienen: Kraftstoffe aus Reststoffen und Algen will sie mit dem Faktor vier berücksichtigen. Ob das die Bilanz rettet, darf bezweifelt werden. Weder in Europa noch anderswo zeichnet sich momentan ab, dass 2020 Produktionskapazitäten für algenbasierte Biokraftstoffe in ausreichendem Umfang vorhanden sein werden. Selbst wenn die USA hier unerwartet maßgebliche Erfolge erzielen könnten – massive Importe von algenbasierten Biokraftstoffen wären allenfalls eine klapprige Geh-Hilfe, mit der sich Europas Energiepolitik ins Ziel schleppt. Auf dem Weg zu mehr Unabhängigkeit in der Energieversorgung, zu dezentraler Bioenergieerzeugung und zu neuen Technologien wäre es hilfreich, Ziele zu revidieren und Strategien realistisch neu auszurichten. Es überrascht nicht, dass die EU von der bisherigen Linie abweicht und Biokraftstoffen der ersten Generation nun eine Absage erteilen will. Die Diskussionen in der Öffentlichkeit und die politischen Vorstöße in einzelnen Mitgliedsländern haben Wirkung gezeigt. Was aber überrascht, ist der Zeitpunkt. Grundsätzlich ist es richtig, neue Technologien anzustoßen, damit alte abgelöst werden. Die EU hätte jedoch schon vor Jahren die Weichen stellen können in Richtung Kraftstoffe der zweiten und dritten Generation. Von Strategie ist beim EU-Vorstoß nichts zu spüren. Eher von Aktionismus. Noch ist nichts beschlossen. Aber man kann davon ausgehen, dass die Mitgliedsländer dem Vorschlag zustimmen werden. [chb — 20.09.2012] Quelle und Erstveröffentlichung: www.bio-pro.de, Copyright BIOPRO Baden-Württemberg GmbH