Erneuerbarer Kohlenstoff als Leitmotiv für nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe

Als Teil der Renewable Carbon Initiative (RCI), einer Interessengemeinschaft von mehr als 30 namhaften Unternehmen aus dem weiten Feld der chemischen und stofflichen Wertschöpfungsketten, freut sich die IBB Netzwerk GmbH sehr, die Veröffentlichung eines grundlegenden Strategiepapiers bekannt zu geben.
Die RCI wurde 2020 gegründet, um die Chemie- und Materialindustrie in die Lage zu versetzen, die enormen Herausforderungen bei der Erfüllung der von der Europäischen Union gesetzten Klimaziele und der Nachhaltigkeitserwartungen von Gesellschaften auf der ganzen Welt gemeinsam zu bewältigen. Die Industrie muss mehr tun, als nur erneuerbare Energie zu nutzen. Da die Dekarbonisierung für den Chemie- und Materialsektor keine Option ist, da er vollständig auf der Nutzung von Kohlenstoff basiert, ist eine alternative Strategie erforderlich. Heute veröffentlicht das RCI ein umfassendes Papier darüber, wie das Konzept des erneuerbaren Kohlenstoffs als Leitprinzip für die Umstellung auf nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe dienen kann.
Die RCI spricht den Kern des Klimaproblems an: 72% des anthropogenen Klimawandels werden direkt durch die Entnahme von fossilem Kohlenstoff aus dem Boden verursacht. Um den Klimawandel rasch einzudämmen und unser globales Ziel der Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu erreichen, muss der Zufluss von weiterem fossilem Kohlenstoff aus dem Boden in unser System so schnell wie möglich und in großem Umfang reduziert werden.
Im Energie- und Verkehrssektor bedeutet dies einen kräftigen und schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien, Wasserstoff und Elektromobilität, die sogenannte Dekarbonisierung dieser Sektoren. Die EU hat bereits damit begonnen, eine ehrgeizige Agenda in diesem Bereich voranzutreiben, und wird dies auch weiterhin tun, zum Beispiel mit dem kürzlich veröffentlichten “Fit for 55”-Paket.
Andere Branchen, die fossilen Kohlenstoff fördern und nutzen, wurden bei diesen Maßnahmen bisher jedoch weitgehend außer Acht gelassen. Die Chemie- und Werkstoffindustrie hat einen hohen Bedarf an Kohlenstoff und ist im Wesentlichen nur mit kohlenstoffbasierten Rohstoffen möglich, da die meisten ihrer Produkte ohne Kohlenstoff nicht auskommen. Im Gegensatz zum Energiesektor können diese Sektoren nicht “dekarbonisiert” werden, da die Moleküle immer Kohlenstoff benötigen werden. Das Äquivalent zur Dekarbonisierung durch erneuerbare Energien im Energiesektor ist der Übergang zu erneuerbarem Kohlenstoff in der Chemie- und Grundstoffindustrie. Beide Strategien vermeiden es, zusätzlichen fossilen Kohlenstoff aus dem Boden in den Kreislauf einzubringen und können unter dem Begriff “Defossilisierung” zusammengefasst werden.
Um die Chemie von fossilem Kohlenstoff zu entkoppeln, stellt sich die Frage, welche nicht-fossilen Kohlenstoffquellen in Zukunft genutzt werden können. Die rasanten Entwicklungen in den Biowissenschaften und der Chemie haben neue, erneuerbare und zunehmend erschwingliche Kohlenstoffquellen erschlossen, die uns alternative Lösungen für einen nachhaltigeren Chemie- und Materialsektor bieten. Diese alternativen Quellen sind: Biomasse, Nutzung von CO2 und Recycling. Sie werden unter dem Begriff “erneuerbarer Kohlenstoff” zusammengefasst. Wenn er als Leitprinzip verwendet wird, bietet erneuerbarer Kohlenstoff ein klares Ziel, auf das man hinarbeiten kann und das genügend Spielraum für den gesamten Sektor bietet. Er ermöglicht es der Industrie, über die etablierten Grenzen hinauszudenken und den Zufluss von zusätzlichem fossilen Kohlenstoff aus dem Boden zu stoppen.
Die systematische Umstellung auf erneuerbaren Kohlenstoff erfordert nicht nur erhebliche Anstrengungen der Industrie, sondern muss auch durch politische Maßnahmen, technologische Entwicklungen und umfangreiche Investitionen unterstützt werden. Um einen raschen und großvolumigen Übergang weg von fossilem Kohlenstoff zu vollziehen und seine Wirkung zu demonstrieren, ist ein unterstützender politischer Rahmen unerlässlich. Der Schwerpunkt sollte auf einer verantwortungsvollen Beschaffung von Kohlenstoff liegen, die sich nicht nachteilig auf die weiteren planetarischen Grenzen auswirkt oder die gesellschaftlichen Grundlagen untergräbt. Es ist eine übergreifende Strategie für das Kohlenstoffmanagement erforderlich, die auch spezifische regionale und anwendungsbezogene Merkmale berücksichtigt, um die nachhaltigste Kohlenstoffquelle aus der Familie der erneuerbaren Kohlenstoffe zu ermitteln. So kann der komplexe Übergang vom heutigen fossilen Kohlenstoff aus dem Boden zu erneuerbaren Energien und zu erneuerbarem Kohlenstoff über alle Industriesektoren hinweg gut organisiert werden.
Der RCI hat elf konkrete politische Empfehlungen zu erneuerbarem Kohlenstoff, Kohlenstoffmanagement, Unterstützung der Umwandlung der bestehenden chemischen Infrastruktur und der Umwandlung von Biokraftstoffanlagen in Chemielieferanten entwickelt. Das Strategiepapier “Erneuerbarer Kohlenstoff als Leitprinzip für nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe” steht in einer Kurz- und einer Langfassung zum freien Download zur Verfügung.
Das übergreifende Ziel von RCI ist: Fossiler Kohlenstoff, der aus dem Untergrund entnommen wird, soll vollständig durch erneuerbaren Kohlenstoff ersetzt werden, also durch Kohlenstoff aus allen alternativen oberirdischen Quellen: Biomasse, CO2 und Recycling. Nur so können Chemikalien und Materialien nachhaltig, klimafreundlich und Teil der Kreislaufwirtschaft werden — Teil der Zukunft!