Für Forschung in der Chemie fehlt der politische Rückenwind. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) hervor, die der Vorsitzende des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung, Dr. Andreas Kreimeyer, der Presse in Frankfurt vorgestellt hat. Die Umfrage zeigt, dass die politischen Rahmenbedingungen für die Forschung gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten neue Impulse für eine der wichtigsten Branchen Deutschlands setzen müssen. Kreimeyer drängte deshalb zu konsequentem Handeln: „Die Politik hat große Verantwortung und viele Aufgaben. Deshalb darf sie nicht zaudern. Denn was früher galt, stimmt auch heute noch: Zu neuen Ufern gelangt man nicht mit Zaghaftigkeit und Bedenkenträgertum.“ Die VCI-Umfrage ermittelte das Innovationsverhalten der chemischen Industrie (ohne Pharma). Sie repräsentiert 90 Prozent der Forschungsaufwendungen und 70 Prozent des Umsatzes der deutschen Chemie. Über 60 Prozent der befragten Chemieunternehmen halten das stärkere Wachstum ausländischer Chemiemärkte für einen wichtigen Grund, FuE-Investitionen am Standort Deutschland nur moderat auszubauen und Forschung im Ausland aufzubauen. Das geschieht zum Teil auf Kosten der Forschungsetats in Deutschland. Deshalb müsse man das Wirtschaftswachstum hierzulande stärken, forderte Kreimeyer: „Denn wenn es der Chemie in Deutschland schlecht geht, lähmt das Forschung und Innovationskraft der Branche.“ Auch die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland machen es der Chemieforschung schwer. Zu dieser Einschätzung kommt mehr als die Hälfte der befragten Firmen. Sie begründen dies unter anderem mit einem großen Aufwand an Bürokratie und der zu geringen Förderung von Forschung und Entwicklung. So sei die Projektförderung zu kompliziert und nach wie vor – vor allem für den Mittelstand – zu bürokratisch und langwierig. Zudem beklagen die Firmen das Fehlen einer steuerlichen Forschungsförderung als Anreiz für verstärkt eigene FuE-Anstrengungen. Kreimeyer mahnte deshalb an, Innovationshemmnisse weiter abzubauen, die Projektförderung zu vereinfachen und steuerliche Anreize für Forschung einzuführen, damit die Chemieunternehmen wieder stärker in Deutschland forschten. Mit einem besonderen Problem hat der Mittelstand zu kämpfen. Dies geht aus der Umfrage ebenfalls hervor: 65 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) begründeten ihre verhaltenen FuE-Ausgaben mit Finanzierungsschwierigkeiten. Der Vorsitzende des VCI-Forschungsausschusses plädierte deshalb dafür, den Zugang zu Risikokapital zu erleichtern. „Das ist nach wie vor in Deutschland schwieriger als in anderen Ländern und damit ein Wettbewerbsnachteil für Deutschland.“ Mit einer unzureichenden Akzeptanz von Technik und Wissenschaft in einigen Forschungsbereichen in der Gesellschaft begründeten mehr als die Hälfte der befragten Chemieunternehmen, warum sie sich bei ihren Forschungsaufwendungen in Deutschland zurückhalten. Kreimeyer forderte deshalb ein offenes Klima für Innovationen und Fortschritt in Deutschland. „Entscheidend ist, dass wir eine neue Innovationskultur in Deutschland schaffen, bei der wir Chancen und Risiken objektiv betrachten und die Gesellschaft einbeziehen.“ Hierzu brauche man eine verständliche Kommunikation, mit der man die Vorteile neuer Technologien aufzeige, ohne potenzielle Risiken auszublenden. Dabei sollte man das Schüren von irrationalen Ängsten vermeiden. „Politik, Wissenschaft, Industrie und alle gesellschaftlichen Gruppen sind hier gefordert und sollten an einem Strang ziehen, um die Begeisterung für Neues wieder zu entfachen und den Pioniergeist, den frühere Generationen hatten, zu wecken.“ Der VCI vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen von rund 1.650 deutschen Chemieunternehmen und deutschen Tochterunternehmen ausländischer Konzerne gegenüber Politik, Behörden, anderen Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Medien. Der VCI steht für mehr als 90 Prozent der deutschen Chemie. Die Branche setzte 2011 über 184 Milliarden Euro um und beschäftigte mehr als 428.000 Mitarbeiter. Quelle: VCI