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Der richtige Blick für Spiegelmoleküle
27.05.2013

Enantiomere lassen sich mithilfe ihres Dipolmomentes unterscheiden
Schon die beiden Varianten auseinanderzuhalten, ist jedoch keine leichte Aufgabe – sie gleichen sich in fast allen physikalischen Eigenschaften. Am einfachsten verraten sich reine Enantiomere durch ihre Wirkung auf linear polarisiertes Licht, also auf Lichtwellen, die alle in derselben Ebene schwingen. Die eine Variante eines chiralen Moleküls dreht diese Schwingungsebene nach links, die andere nach rechts. Allerdings sind diese Effekte insbesondere bei Enantiomergemischen und bei Stoffgemischen mit mehreren Verbindungen klein, und die Enantiomere müssen für diese Untersuchung in der Regel flüssig vorliegen. Das Team um David Patterson hat nun eine Methode entwickelt, die eine andere Eigenschaft der Enantiomere unterscheidet, das sogenannte Dipolmoment. Es beschreibt die Wechselwirkung eines Moleküls mit einem externen elektrischen Feld. Zwar sind die Dipolmomente beider Enantiomere vom Betrag her stets gleich, sie unterscheiden sich wegen des spiegelbildlichen Aufbaus jedoch in der Orientierung ihrer einzelnen Komponenten entlang der drei Raumrichtungen. Das nutzen die Forscher mit einer Apparatur aus, bei der sie die Wechselwirkung der Moleküle mit Mikrowellenstrahlung messen. Die zu testenden Stoffe müssen dafür als Gas vorliegen, was bei vielen sowohl industriell verwendeten als auch biologisch relevanten Verbindungen möglich ist. Das Gas wird in eine Kältekammer geschleust und auf minus 266 Grad Celsius gekühlt. Dort wird es in ein elektrisches Feld gebracht und anschließend mit Mikrowellen einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt, mit denen die Moleküle zu Rotationen angeregt werden. Durch die Rotationen senden die Moleküle wiederum eigene Strahlung aus, die sich messen lässt. Die sogenannte Phase dieser Strahlung verrät den Enantiomertyp – wenn die abgestrahlte elektromagnetische Welle bei linkshändigen Molekülen zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade das positive Maximum erreicht hat, besitzt sie bei rechtshändigen Molekülen zur selben Zeit das negative Maximum, beide Wellen sind also gegenläufig.Mit einer Weiterentwicklung der Methode könnten sich Enantiomere trennen lassen
Die Forscher testeten ihr Verfahren mit 1,2‑Propandiol, einer organischen Verbindung, deren Eigenschaften sehr gut vermessen sind, und die sich als reine rechts- und linkshändige Enantiomere kaufen lässt. Die Methode konnte nicht nur die beiden Enantiomere klar auseinander halten, sondern auch ihr Mischungsverhältnis in Enantiomergemischen bestimmen. Die Mikrowellenfrequenz kann dabei sehr fein abgestimmt werden, um nur die gewünschte Rotation bei den Molekülen eines bestimmten Stoffs anzuregen. So lassen sich prinzipiell auch Stoffgemische untersuchen. „Wir können künftig Mischungen von verschiedenen Molekülen messen und bekommen die Anteile ihrer Enantiomere”, sagt Max-Planck-Forscherin Schnell. Entsprechend planen die Wissenschaftler in einem nächsten Schritt, die Technik auf ein sogenanntes Breitbandspektrometer auszuweiten, das sich am Hamburger CFEL befindet und mit dem sich dann Stoffgemische auf ihre Enantiomeranteile analysieren lassen. „Darüber hinaus bietet das Verfahren die Perspektive, daraus eine Methode zur Trennung von Enantiomeren zu entwickeln”, erläutert John Doyle. Dazu ließe sich ein Enantiomer möglicherweise gezielt mit einem Laser anregen und mit einem weiteren Laserblitz, der auf entsprechend angeregte Moleküle anders wirkt als auf nicht angeregte, vom anderen Enantiomer trennen. Ein solches Verfahren habe typischerweise zwar nur einen geringen Wirkungsgrad, durch die schnelle Wiederholung ließe sich jedoch rasch ein lohnender Enantiomerüberschuss ansammeln, schätzen die Wissenschaftler. Originalveröffentlichung:M. Doyle Enantiomer-Specific Detection of Chiral Molecules via Microwave Spectroscopy Nature, 23. Mai 2013 Quelle: bionity.com