Dünger & Biokohle aus Gülle: Gülleverwertung schafft Alternativen zu herkömmlichem Dünger
06.03.2015
Rund 60 Millionen Tonnen Gülle produzieren Schweine in Deutschland jedes Jahr. Das wird zunehmend zu einem Problem: „In Regionen mit vielen schweinehaltenden Betrieben haben die Landwirte zu wenig Flächen, um die Gülle umweltgerecht auszubringen“, sagt Andrea Ehmann, Doktorandin am Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen an der Universität Hohenheim. Deswegen suchen Hohenheimer Wissenschaftler gemeinsam mit einem internationalen Team von 15 Partnern aus Deutschland, den Niederlanden, Spanien und Großbritannien nach neuen Verwertungswegen für Schweinegülle. Ihr Ziel: „Wir wollen die Nährstoffe aus der Gülle zurückgewinnen und Dünger daraus herstellen“, erklärt Prof. Dr. Iris Lewandowski, Leiterin eines Teilprojektes von „BioEcoSIM“ an der Universität Hohenheim. Die EU fördert das Projekt insgesamt mit rund 4 Mio. Euro. 417.000 Euro davon entfallen auf die Universität Hohenheim und machen das Projekt zu einem der Schwergewichte der Forschung. Deutsche Bauern wissen nicht wohin mit ihrer Gülle, insbesondere in den Ballungszentren der Schweinemast. Wenn alle Felder gedüngt sind, gibt es immer noch große Mengen Schweinegülle, die bisher entsorgt werden müssen. Gülle enthält jedoch viele wertvolle Nährstoffe, die anderswo dringend benötigt werden. Der Transport von Gülle über größere Entfernungen lohnt sich jedoch nicht, da sie zu über 90 Prozent aus Wasser besteht. Dafür soll es künftig eine Lösung geben: In dem EU-Projekt „BioEcoSIM“ wird unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik — IGB (IBB-Netzwerkmitglied) ein innovatives Verfahren entwickelt, in dem in mehreren Stufen die Nährstoffe aus der Gülle zurückgewonnen und Dünger sowie Biokohle hergestellt werden. „Die neuen Dünger sollen die gleiche Wirkung haben wie herkömmliche Mineraldünger“, erläutert Andrea Ehmann. Aufgabe der Hohenheimer Wissenschaftler ist es die Eigenschaften der neuen Dünger zu untersuchen und ihre Wirksamkeit zu testen.
Wertvoller Beitrag zum Umweltschutz
„Das neue Verfahren bringt eine ganze Reihe an Vorteilen“, sagt die Wissenschaftlerin: „So kann beispielsweise der Phosphor aus der Gülle, der Gewässer zum Kippen bringen kann, als Phosphatdünger gezielt auf den Äckern verwendet werden, wo er gebraucht wird.“ Wenn alles klappt, könnte man durch die Rückgewinnung theoretisch den gesamten Phosphorbedarf für die Düngerherstellung decken und wäre somit unabhängiger von Importen. Das ist vor allem deswegen interessant, weil die natürlichen Phosphorreserven endlich sind und ihre Gewinnung immer aufwändiger wird. Phosphor kann durch kein anderes Element ersetzt und auch nicht synthetisch hergestellt werden. Für die Produktion von Lebensmitteln wird er jedoch zwingend benötigt. Neben Phosphatdünger soll auch ein Stickstoffdünger aus der Gülle hergestellt werden. Stickstoff ist der wichtigste Nährstoff in der Landwirtschaft, weil er unverzichtbar für die Ertragsbildung der Kulturpflanzen ist. Bisher wird Stickstoffdünger über das Haber-Bosch-Verfahren hergestellt, wofür allerdings sehr viel Energie erforderlich ist. Die Wissenschaftler erhoffen sich neben Dünger auch Biokohle aus der Gülle gewinnen zu können. „Diese verbessert die Nährstoff- und Wasserspeicherkapazität der Böden“, erläutert Andrea Ehmann.
Umfangreiches Testverfahren
Im ersten Schritt haben die Hohenheimer Wissenschaftler die ersten Proben der Dünger und Biokohle bereits auf Nährstoffgehalte sowie Rückstände von Schwermetallen und Antibiotika untersucht. „Die Produkte dürfen natürlich keine toxische Wirkung auf die Keimung und das Wachstum von Pflanzen haben“, erklärt Andrea Ehmann. Dies wurde daher zu Beginn mit Hilfe von so genannten Keim- und Wachstumstests ausgeschlossen. Im nächsten Schritt wurde im Gewächshaus die Wirkung der neuen Dünger mit der von herkömmlichem Mineraldünger verglichen. Als Versuchspflanzen dienten Gerste und Ackerbohne. „Unsere ersten Ergebnisse sind vielversprechend“, erläutert Andrea Ehmann: „Wir haben herausgefunden, dass das Wachstum von Gerste- und Kresse-Keimlingen durch die neuen Dünger nicht gehemmt wird. Außerdem haben wir teilweise sogar eine bessere Düngewirkung als bei herkömmlichem Dünger beobachtet. Bis zum Frühjahr 2015 kann hoffentlich genügend hergestellt werden, um die neuen Dünger auch auf dem Feld an Weizen und Mais zu testen. Der gleiche Feldversuch soll übrigens auch in Spanien durchgeführt werden, um die Dünger unter verschiedenen klimatischen Bedingungen zu erproben.“
Projektpartner arbeiten an Ökobilanz
Während die Laboranalysen und Düngerversuche in Hohenheim gemacht werden, wird auf dem landwirtschaftlichen Betrieb eines Projektpartners in Kupferzell eine Pilotanlage zur Produktion des Düngers aufgebaut. Damit können dann etwas größere Düngermengen hergestellt werden als bisher im Labor. In Barcelona entwickeln Partner eine spezielle Membran zur Rückgewinnung des Stickstoffs, die Teil der Pilotanlage sein wird. An der Universität Wageningen in den Niederlanden arbeiten die Projektpartner daran, eine Ökobilanz zu erstellen und die Akzeptanz des neuen Verfahrens bei der Bevölkerung zu untersuchen.
Neue Einkommensquelle für Landwirte
Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Wenn die Versuche erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden, dann sind die Landwirte in der Lage, die anfallende Gülle direkt mit diesen Pilotanlagen bei sich in den Betrieben aufzubereiten. Dadurch sparen sie nicht nur Geld für den Zukauf von Mineraldünger, der Verkauf von Biokohle und Mineraldünger bietet ihnen auch die Möglichkeit zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.
Hintergrund: Forschungsprojekt „BioEcoSIM“
Der Projektname „BioEcoSIM“ stammt von der englischsprachigen Beschreibung: „An innovative bio-economy solution to valorise livestock manure into a range of stabilised soil improving materials for environmental sustainability and economic benefit for European agriculture.“ Das von der Europäischen Union geförderte Projekt läuft bereits seit Oktober 2012 und ist auf vier Jahre angelegt. Das Projekt wird vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) koordiniert. Neben dem IGB und der Universität Hohenheim sind noch 13 weitere Projektpartner aus Deutschland, den Niederlanden (Universität Wageningen), Spanien (u.a. Centre de Recerca i Innovacio de Catalunya und Centro Tecnologico Agrario y Agroalimentario Asociacion) und Großbritannien (enitial) beteiligt. Darunter sind auch kleine und mittlere Unternehmen. Die Arbeiten an der Universität Hohenheim werden mit rund 417.000 Euro gefördert. Damit zählt das Projekt zu einem der Schwergewichte der Forschung. Projekt-Homepage: www.bioecosim.eu Quelle: idw (Text: A. Schmid)