Climate Engineering: Geringes Potential, große Nebenwirkungen
28.02.2014
Angesichts steigender Treibhausgasemissionen sind immer häufiger Vorschläge zu hören, die Auswirkungen des Klimawandels mit großtechnischen Eingriffen ins Erdsystem zu begrenzen. Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben jetzt mit Computersimulationen die globalen Langzeitfolgen von verschiedenen sogenannten „Climate Engineering“-Maßnahmen untersucht. Dabei kam heraus, dass die bisher vorgeschlagenen Methoden den Klimawandel bei weiter steigenden CO2-Emissionen entweder nicht entscheidend abmildern oder aber nicht mehr gefahrlos gestoppt werden könnten. Trotz aller Klimaschutzabkommen und politischer Absichtserklärungen gehen die globalen Treibhausgasemissionen nicht zurück. Im Gegenteil: Sie steigen an. Eine stetig wachsende Weltbevölkerung und ein deutlicher Industrialisierungsschub in Schwellenländern wie z.B. Indien oder China lassen eine erforderliche Trendumkehr, um eine weitere Klimaerwärmung zu begrenzen, unwahrscheinlich erscheinen. Deshalb werden vermehrt großtechnische Maßnahmen diskutiert, mit denen der Temperaturanstieg künstlich gebremst werden soll. So gibt es Vorschläge, die Ozeane zu düngen, damit zusätzliches Plankton Kohlendioxid (CO2) aus der Luft binden kann. Andere Ideen setzen in der Atmosphäre an, wo mit Aerosolen oder Spiegeln die Sonneneinstrahlung reduziert werden soll. Alle diese Maßnahmen werden unter dem Oberbegriff „Climate Engineering“ zusammengefasst. „Allerdings sind Langzeit- und Nebenwirkungen dieser Technologien bisher nicht ausreichend untersucht“, betont Dr. David Keller vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Zusammen mit Kollegen hat der Spezialist für Computer-Simulationen des Erdsystems mehrere Climate Engineering-Maßnahmen verglichen. Die Ergebnisse der Studie erscheinen jetzt in der international renommierten Online-Fachzeitschrift „Nature Communications“. „Das Problem bei bisherigen Studien war, dass meist nur einzelne Techniken mit unterschiedlichen Modellen und verschiedenen Grundannahmen untersucht wurden. Dabei gab es zwar Hinweise auf einzelne Nebenwirkungen, aber verschiedene Studien berücksichtigten verschiedene Teilaspekte des Erdsystems und waren damit schwer vergleichbar“, sagt Dr. Keller und ergänzt: „Wir wollten ganz verschiedene Climate Engineering-Maßnahmen mit den gleichen Grundannahmen in einem kompletten Erdsystemmodell simulieren“. Für ihre Studie wählten die Forscher fünf Maßnahmen, die zu den Klassikern in der Diskussion gehören: Die Abschirmung von Sonnenstrahlung in der Atmosphäre, die Aufforstung großer Wüstengebiete in Nordafrika und Australien sowie drei verschiedene Techniken, mit denen Kohlendioxid im Ozean gebunden werden soll. Parallel ließen die Wissenschaftler ihr Erdsystemmodell ohne klimaregulierende Maßnahmen auf Grundlage aktueller Prognosen des UN-Klimarats laufen. Selbst unter idealen Voraussetzungen war der Nutzen der einzelnen Maßnahmen in den Modellen begrenzt. Nur die Abschwächung der Sonnenstrahlung in der Atmosphäre konnte die Temperaturen auf der Erde langfristig und deutlich senken. Die Aufforstung der Sahara und des australischen Outbacks sorgte hingegen sogar für eine Erderwärmung: „Die Wälder absorbierten zwar Kohlendioxid aus der Atmosphäre, dafür wurde die Erdoberfläche aber dunkler und konnte mehr Wärme speichern“, erklärt Dr. Keller dieses Phänomen. Auch alle anderen Techniken zeigten entscheidende Nebenwirkungen. So sorgte die Düngung der Ozeane zwar für eine verstärkte Bindung von CO2 durch das Plankton, aber auch für eine Ausbreitung von Sauerstoffminimumzonen in den Meeren. Eine weitere Frage, mit der sich die Forscher beschäftigten: Was passiert, wenn die eingesetzten Technologien aus politischen oder technischen Gründen abgeschaltet oder wieder rückgängig gemacht werden? „Bei fast allen sahen wir eine rasante Angleichung an die Klimaentwicklung ohne Climate Engineering“, sagt Dr. Keller. Wenn beispielsweise die Sonnenstrahlung nach 50 Jahren plötzlich nicht mehr abgeschwächt werden würde, erwärmte sich die Erde innerhalb weniger Jahrzehnte oder gar Jahre um mehrere Grad. „Die Entwicklung wäre viel schneller als der aktuelle Klimawandel, mit möglicherweise noch katastrophaleren Folgen“, sagt Keller. Die Studie ist Grundlage für weitere Forschungen im Schwerpunktprogramm „Climate Engineering: Risks, Challenges, Opportunities?“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft, das Co-Autor Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR koordiniert. „Neben den naturwissenschaftlichen Untersuchungen wollen wir auch potenzielle gesellschaftliche, politische, juristische und ethische Aspekte der vorgeschlagenen Climate-Engineering Methoden genauer unter die Lupe nehmen. Denn eines zeigt die Studie deutlich: Immer würde es neben möglichen Gewinnern auch viele Verlierer geben, wobei einige Nebenwirkungen erst zukünftige Generationen träfen. Eine Entscheidung für oder gegen Climate Engineering muss sehr gut überlegt und legitimiert sein und bedarf einer viel breiteren Faktengrundlage als wie sie heute haben“, betont Professor Oschlies.
Originalarbeit:
Keller, D. P., E. Y. Feng, A. Oschlies (2014): Potential climate engineering effectiveness and side effects during a high CO2-emissions scenario. Nat. Commun. 5: 3304, http://dx.doi.org/10.1038/ncomms4304 Quelle: idw