Das KIT hat das von Bund, Land und EU geförderte Pilotprojekt mit mehreren Industriepartnern verwirklicht; die Gesamtinvestition beträgt 64 Millionen Euro. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Peter Bleser, betonte bei der Veranstaltung: „Das bioliq®-Verfahren hat durch die Verknüpfung mit dezentralen Produktionsprozessen besonderes Potenzial, die Wertschöpfung im ländlichen Raum zu stärken und sowohl Biokraftstoffe als auch chemische Grundprodukte für eine biobasierte Wirtschaft zu erzeugen.“ Die Ministerialdirektorin im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Simone Schwanitz, sagte, das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg setze rund 13 Millionen Euro bis 2019 für die Forschungsstrategie Bioökonomie ein, um das Land für eine Zukunft mit einer nachhaltigen und wirtschaftlichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe zu rüsten: „Mit der wichtigen Grundlagenforschung zur Bioökonomie schafft das Land wirtschaftliche Wettbewerbsvorteile und nimmt globale Verantwortung wahr. Die Strategie Bioökonomie vernetzt dabei die biobasierte Wirtschaft mit unserer starken Forschungslandschaft. Die bioliq®-Pilotanlage steht für diesen Ansatz.“ Die Pilotanlage produziert Benzin von hoher Qualität – umweltfreundlich und voll kompatibel zu herkömmlichem Benzin. Der Output beträgt rund eine Tonne Kraftstoff pro Tag. Grundsätzlich lassen sich nach dem bioliq®-Konzept auch Kraftstoffe für Dieselmotoren und Flugzeuge herstellen. Da der bioliq®-Prozess auf Stroh und andere biogene Reststoffe zurückgreift, die keine zusätzlichen Anbauflächen beanspruchen, konkurriert er nicht mit der Nahrungs- und Futtermittelproduktion. „Biomasse hat als erneuerbare Energie eine essenzielle Bedeutung für die Energiewende“, sagte der KIT-Präsident Professor Holger Hanselka. „Mit bioliq® verfügen wir nun über ein nachhaltiges und industrietaugliches Verfahren zur effektiven Nutzung von Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft. Die Pilotanlage am KIT produziert nicht nur hochwertige Kraftstoffe, sondern bietet auch eine hervorragende Forschungsplattform zur Entwicklung neuer Technologien und Produkte.“ Die Investitionen in das Großprojekt bioliq® betrugen insgesamt rund 64 Millionen Euro. Knapp die Hälfte kam aus Fördermitteln: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) steuerte 27 Millionen Euro bei, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) Baden-Württemberg und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) jeweils eine Million Euro. Die Mittel des BMEL wurden über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), die Mittel des EFRE über das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (MFW) Baden-Württemberg bereitgestellt. Von den verbleibenden Investitionskosten übernahmen das KIT und die Helmholtz-Gemeinschaft 24 Millionen Euro sowie die Industriepartner elf Millionen Euro. Industriepartner sind für die Bauabschnitte I (Pyrolyse) und II (Gaserzeugung) die Firma Air Liquide Global E&C Solutions Germany GmbH, Frankfurt, für die Konditionier- und Lagereinrichtung des Biosyncrude die Firma MAT Mischanlagentechnik GmbH, Immenstadt-Seifen, für den Bauabschnitt IIIa (Heißgasreinigung) die Firma MUT Advanced Heating GmbH, Jena und für die Bauabschnitte IIIb+IV (Kraftstoffsynthese) die Firma Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH. Die Industriepartner haben die bioliq®-Pilotanlage projektiert, geliefert, montiert und in Betrieb genommen und werden sich auch an den weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten beteiligen. Nach der Inbetriebsetzung der kompletten Prozesskette geht das Projekt nun in eine Optimierungsphase, um die Schritte des Verfahrens und die daraus erhaltenen Produkte weiter zu verbessern. Das in der Pilotanlage hergestellte Benzin ist für Testzwecke bestimmt. Ein weiteres Ziel ist, neue Kraftstoffe und Kraftstoff-Komponenten zu entwickeln, die dabei helfen, die Energieeffizienz und die Emissionen heutiger und neuer Verbrennungsmotoren zu verbessern.
bioliq®-Prozess
Der bioliq®-Prozess (Biomass to Liquid Karlsruhe) berücksichtigt, dass Stroh und andere biogene Reststoffe räumlich weit verteilt anfallen und einen niedrigen Energiegehalt aufweisen, und ermöglicht zugleich eine wirtschaftliche großtechnische Produktion. Insgesamt besteht das Verfahren aus vier Stufen: Zunächst wird die trockene Restbiomasse dezentral durch Schnellpyrolyse in eine rohölartige Substanz von hoher Energiedichte umgewandelt. Diese Substanz, der sogenannte Biosyncrude, lässt sich wirtschaftlich über große Strecken transportieren und zentral weiterverarbeiten. Ein Hochdruck-Flugstromvergaser setzt den Biosyncrude bei Temperaturen über 1.200 Grad Celsius und Drücken bis zu 80 bar zu einem teerfreien Synthesegas um. Dieses besteht großenteils aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Die anschließende Heißgasreinigung dient dazu, Störstoffe wie Partikel, Chlor‑, Schwefel und Stickstoff-Verbindungen aus dem Synthesegas abzutrennen. In der Synthesestufe entstehen schließlich maßgeschneiderte Kraftstoffe oder chemische Grundprodukte. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Thematische Schwerpunkte der Forschung sind Energie, natürliche und gebaute Umwelt sowie Gesellschaft und Technik, von fundamentalen Fragen bis zur Anwendung. Mit rund 9.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter mehr als 6.000 in Wissenschaft und Lehre, sowie 24.500 Studierenden ist das KIT eine der größten Forschungs- und Lehreinrichtungen Europas. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation. Quelle: idw/KIT