Biokraftstoffe aus Klärschlamm
Einem Europäischen Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Hohenheim ist es gelungen, Klärschlamm und andere Biomassen im Pilotmaßstab in Biokraftstoff umzuwandeln. Das ist deshalb von Bedeutung, weil erneuerbare Diesel- und Flugzeugtreibstoffe bisher hauptsächlich aus Pflanzenölen gewonnen werden, die EU jedoch den Einsatz von Biokraftstoff aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen begrenzt hat. Für die Zukunft wird es so besonders wichtig sein, fortschrittliche Technologien zur Umwandlung von Biokraftstoffen zu kommerzialisieren, die eine breitere und nachhaltigere Rohstoffbasis bieten.
Biokraftstoffe, gewonnen aus Klärschlamm und Gülle, Stroh und Algen: Das gelingt mit der sogenannten hydrothermalen Verflüssigung. Die innovative Technologie zur Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen konnte das Forschungsteam des EU-Projekts Hyflexfuel (Hydrothermal liqufaction: Enhanced performance and feedstock flexibility for efficient biofuel production (HyFlexFuel), Horizont 2020) nun erstmals erfolgreich im Pilotmaßstab einsetzen – und so einer industriellen Anwendung einen Schritt näherkommen. Bei dem Verfahren wird aus Biomasse unter hohem Druck und hohen Temperaturen eine Art zähflüssiges Rohöl hergestellt, das zu erneuerbaren Kraftstoffen weiterverarbeitet werden kann. Der Vorteil: „Man kann viele verschiedene, auch feuchte Biomasse als Ausgangsstoff nutzen, ohne mit der Nahrungs- und Futtermittelproduktion zu konkurrieren – etwa indem man zum Beispiel Abfallströme recycelt“, erklärt Gero Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Andrea Kruse an der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Koordinator ist der Bauhaus Luftfahrt e.V. Weiterhin beteiligt sind, außer der Universität Hohenheim, die Aarhus Universitet und Aalborg Universitet in Dänemark, das Paul Scherrer Institut in der Schweiz, das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ). Praxispartner sind das belgische Unternehmen Organic Waste Systems, Eni aus Italien und Haldor Topsøe aus Dänemark. Die ARTTIC Innovation GmbH unterstützt das Forschungskonsortium beim Projektmanagement und der Kommunikation.
Die hydrothermale Verflüssigung (HTL) ist eine zukunftsweisende Biokraftstofftechnologie zur Herstellung von Transportkraftstoffen aus einer Vielzahl von Bioabfällen und anderen Biomassen.
HTL hat mehrere entscheidende Vorteile, von denen die wichtigsten sind:
- Flexibles Produktionspotenzial: Die HTL-Konvertierungstechnologie erschließt eine riesige globale Bio-Ressource mit einer Vielzahl einheimischer Primär-Biomassen. Die Technologie ist mit einer Vielzahl von organischen Abfällen und Reststoffen, lignozellulosehaltigen Energiepflanzen oder aquatischen Biomassen kompatibel und kann an die jeweilige regionale Rohstoffverfügbarkeit angepasst werden.
- Kosteneffizienz: Sie kann fortschrittliche Biokraftstoffe, von Schiffskraftstoffen bis hin zu Kerosin, potenziell zu deutlich niedrigeren Kosten als die meisten konkurrierenden erneuerbaren Kraftstoffpfade produzieren.
- Nachhaltigkeit: Die HTL-Technologie hat das Potenzial, Kraftstoffe mit einem geringen CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus zu produzieren, ohne mit der Nahrungs- und Futtermittelproduktion zu konkurrieren. Sie hat das Potenzial, Abfallströme zu recyceln und damit zu einer stärkeren Kreislaufwirtschaft beizutragen.
Die HTL-Anlage im Pilotmaßstab verarbeitet wässrige Biomasseaufschlämmungen (~20 % Trockenmasse) bei Temperaturen bis zu 350 °C und Drücken um 200 bar, wobei das Wasser nicht siedet, sondern im flüssigen Zustand bleibt. Unter diesen Bedingungen wird die Biomasse in ein rohes Bioöl umgewandelt, das nach dem Reaktor vom Prozesswasser getrennt wird. In einem zweiten Schritt wird das HTL-Bioöl durch katalytische Behandlung mit Wasserstoff bei hoher Temperatur und hohem Druck (Hydrotreating) zu Transportkraftstoffprodukten veredelt. Dabei werden dem Biorohstoff Sauerstoff und Stickstoff entzogen, was wiederum in ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen umgewandelt wird. Die Destillation der aufbereiteten HTL-Biofette ergibt drop-in-fähige Kraftstoffe im Bereich Benzin, Kerosin und Diesel.