Die ipal startete gut gerüstet. Statt mit einer Grundförderung wie bei den meisten anderen PVA verfügte sie über einen Kredit von 10 Mio. Euro. Insgesamt konnte sie dadurch eigenständiger als viele ihrer Mitstreiter handeln, sich einen besseren Stand in den Verhandlungen mit der Industrie erarbeiten. So trug die Agentur die Patentierungskosten selbst und konnte deswegen allein entscheiden, wie breit – technologisch und geographisch – ein Schutzrecht sinnvollerweise angemeldet wird. „In vielen anderen Patentverbünden tragen die Hochschulen einen Großteil der Kosten. Aufgrund anderer Budgetzwänge agieren diese dann meist zu konservativ“, glaubt TA-Chef Alfred Schillert. Er stellt der ipal ein positives Zeugnis aus. Tatsächlich: Die Verwertungserlöse entwickelten sich positiv: Nachdem 20100,31 Mio. Euro und 20110,46 Mio. Euro eingenommen werden konnten, gelang 2012 sogar ein größerer Satz: 1,16 Mio. Euro standen am Ende auf dem Papier. Trotz der Einnahmen war die ipal aber noch weit von einer schwarzen Null entfernt. Vom Start weg verbuchte sie einen jährlichen Verlust, der zwischen 0,4 und knapp 2 Mio. Euro schwankte. Wie Wilhelm Reiß von der Abteilung Unternehmensentwicklung bei der Investitionsbank Berlin (IBB) und gleichzeitig Vorsitzenden des Aufsichtsrates der ipal erklärte, bleibt von der ipal nur eine nicht-operative Hülle übrig: „In den kommenden Jahren wird sie ohne eigenes Personal noch verbliebene Rechte geltend machen.“
Umstrittene Zielvorgabe
Fakt ist: Die Zielvorgabe des Senats, nach zehn Jahren an der Gewinnschwelle zu stehen, wurde nicht erreicht. Doch diese Vorgabe ist allerdings umstritten. In Anlehnung an die PVA US-amerikanischer Universitäten rechnen TU-Präsident Jörg Steinbach und Peter Frensch – HU-Vizepräsident für Forschung und Mitglied des ipal-Aufsichtsrates – vor, dass das Erreichen der Gewinnschwelle erst „in 20 bis 30“ beziehungsweise „15 bis 20 Jahren“ zu erwarten gewesen sei. Bei solcherart auseinanderklaffenden Vorstellungen bleibt es unklar, warum sich die Gesellschafter, die Investitionsbank Berlin IBB (52,5%) und die fünf Hochschulen aus Berlin (je 9,5%), nicht schon 2001 über die entferntere Zukunft der ipal verständigt haben. Bereits seit knapp zwei Jahren – nach Auslaufen der auf zehn Jahre angelegten Anschubfinanzierung durch die stille Beteiligung der IBB über 10 Mio. Euro – stritten die Gesellschafter über die Zukunft der ipal. Im September 2012 wurde dann Cornelia Yzer (CDU) Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung (WTF). Als Verwaltungsratsvorsitzende des Mehrheitsgesellschafters IBB hat sie eine gewichtige Stimme. Yzer erbte eine verfahrene Situation. Bereits 2012 hatte die IBB die Liquidation der ipal vorgeschlagen. In der Rückschau interpretiert die Senatorin das wie folgt: „Um der ipal eine Möglichkeit zur Neuausrichtung zu geben, wurden für das Jahr 2013 einmalig Mittel aus dem Berlin-Beitrag der IBB gewährt.“ Doch die Zeit war zu kurz und die ipal bereits angeschlagen. Yzer: „Nicht alle universitären Einrichtungen haben damals die Fortführung der ipal GmbH unterstützt.“ Der Knackpunkt war das Finanzierungsmodell der ipal. Zwar leitete die Agentur wie andere PVA in Deutschland 70% der Erlöse an Hochschulen und Erfinder weiter, anders als andere musste sie aber von den einbehaltenen 30% deutlich höhere Kosten stemmen. Wilhelm Reiß dazu: „In Berlin haben die Hochschulen nur rund 10% der Kosten der ipal getragen.“ An der Bezahlung der Mitarbeiter waren die Hochschulen gleich gar nicht beteiligt. Auch bei der Verteilung der Erlöse gab es offenbar Differenzen. Reiß moniert, dass „ein erheblicher Teil an die Hochschulen ausgeschüttet werden (musste), so dass bei der ipal ein hohes Defizit verblieb.“ Das Fazit des Aufsichtsratsvorsitzenden ist ernüchternd: „Um die wirtschaftliche Tragfähigkeit der ipal herzustellen, hätte es einer deutlich geänderten Kosten- und Erlösverteilung bedurft.“
Die Senatorin zögert nicht
In den vergangenen Jahren gab es durchaus lose Verpflichtungen seitens der IBB, die ipal über das Jahr 2013 hinaus zu entwickeln. Mit dem Eintritt Yzers kam dann aber Bewegung in die Sache. Wie einem online öffentlich zugänglichen Briefwechsel zwischen ihr und dem Präsidenten der TU Berlin, Jörg Steinbach, zu entnehmen ist, weist sie jegliche Verantwortung für das Aus der ipal von sich: „Ich bedaure, dass es den Gesellschaftern nicht gelungen ist, die gewonnene Zeit zu nutzen, um ein tragfähiges Konzept abzustimmen.“ Damit spricht sie durchaus auch sich selbst an, denn als IBB-Verwaltungsratsvorsitzende dürfte sie einen gewissen Einfluss auf das Geschehen gehabt haben. Steinbachs Wunsch, „die ipal über die IBB weiterzusubventionieren“, wurde jedenfalls nicht erhört. Das Beispiel ipal zeigt, dass der Wert der PVA-Arbeit offenbar gerade von der Seite nicht richtig geschätzt wird, der sie eigentlich dienen soll: dem öffentlichen Sektor. Hakt es in der Verständigung zwischen dem Land und den Hochschulen wie in Berlin, kann es passieren, dass die lokale PVA aufgerieben wird. Trifft Steinbach den Kern der Sache, wenn er erklärt, die Entscheidung Yzers hänge „schlicht damit zusammen, dass keine Finanzmittel zur Verfügung standen“? Aus welchem Topf soll letzten Endes das Geld zum Aufbau einer funktionierenden Patentverwertung kommen – vom Senat für Bildung oder vom Senat für Wirtschaft? Schillert nimmt die Politik insgesamt in die Pflicht: „Derzeit werden für die Hochschulen bundesweit nur weniger als 1% der für die Forschung zur Verfügung gestellten Mittel für die schutzrechtliche Sicherung und den Transfer der gewonnenen Erkenntnisse eingesetzt. Wenn man nur ein bisschen Geld von der Forschung in diese Bereiche umleiten würde, wäre allen geholfen.“
Wer zahlt, wenn die Gemeinheit profitiert?
Denkbar wäre, bei bewilligten Forschungsgeldern einen bestimmten Teil ausdrücklich zur Finanzierung von Sicherung und Transfer zu reservieren. In diesem Zusammenhang weist der TA-Chef ausdrücklich darauf hin, dass der größte Effekt von Technologietransfer nicht bei der Refinanzierung von Hochschulen liegt, sondern bei der Wirkung auf eine Volkswirtschaft insgesamt: „Erfolgreiche Patentverwertung führt zu Neugründungen, Wachstum und Arbeitsplätzen.“ Das Ableben der ipal dürfte vor allem den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Funktionierende Strukturen verschwinden und müssen nun anderswo geschaffen werden. Durch die erzwungene Neuorientierung der Patentverwertung in der Region droht noch dazu eine verzögerte Bearbeitung neuer Erfindungen, die Nachteile für Berlins Tüftler bringt und auch den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt schwächen kann. Wohl kaum eine PVA in Deutschland dürfte derzeit mit einer mit der ipal vergleichbaren Konstellation zu kämpfen haben – zu unterschiedlich sind die Arbeitskonzepte und Finanzierungshintergründe. Mit dem grundlegenden Problem, wer im Detail die Kosten für eine so langfristig angelegte Investition tragen soll, sind hingegen alle vertraut. „Bund und Länder dürfen sich in den kommenden Jahren nicht noch weiter aus der Kostenverantwortung beim Technologietransfer zurückziehen“, erläutert Schillert. So macht er darauf aufmerksam, dass beispielsweise der Förderanteil des Bundes von ehemals 100% auf derzeit nur noch rund 40% gesunken sei. Tech-Transfer braucht einen langen Atem, da Blockbuster-Erfindungen wie das MP3-Format nicht planbar sind. Jetzt ist allen bewusst geworden, dass eine PVA bei diesen Grabenkämpfen auch einmal das Zeitliche segnen kann. In diesem Licht ist auch die Einschätzung eines PVA-Mitarbeiters verständlich, der anonym bleiben wollte: „Ich bin gespannt, in welche Richtung das noch Wellen schlagen wird. Die Situation ist dramatisch.“ Quelle: biotechnologie.de/ml