Unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB (IBB-Netzwerkmitglied) haben 15 Partner aus Industrie und Forschung im Projekt „Integrierte Bioproduktion“ Verfahren zur Herstellung von Synthesebausteinen und Produkten aus pflanzlichen Ölen entwickelt und im Technikumsmaßstab erprobt. Die neuen Verfahren dienen der Herstellung chemischer Katalysatoren und Biokatalysatoren sowie zur Gewinnung spezieller Fettsäureester, Dicarbonsäureester und Epoxide — sie bilden den Grundstein für eine Pflanzenöl-Bioraffinerie. Ergänzend erfolgte eine ökonomische und ökologische Bewertung der Herstellungsverfahren und Produkte. Das Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Im Mittelpunkt der Forschung stand die Verwendung nachwachsender Rohstoffe, vor allem heimischer pflanzlicher Öle, zur Herstellung von Synthesebausteinen für die Chemische Industrie unter Einsatz chemischer und biotechnologischer Konversionsmethoden. Zu den hergestellten Produkten zählten Emulgatoren, Tenside, Schmierstoffe, Polymere für Beschichtungen, Hydrophobierungsmittel und Flockungshilfsmittel. Der Beginn der Herstellungskette, die Rohstoffbereitstellung, war expliziter Bestandteil des Vorhabens. Die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) testete dazu den Anbau und die möglichst wirtschaftliche Ölgewinnung aus den Pflanzen Iberischer Drachenkopf, Krambe, Koriander und Eruca-Raps. Tall‑, Senf- und Holunderkernöl wurden zusätzlich auf dem Markt beschafft. Die Öle bzw. Ölpflanzen hatten die Wissenschaftler ausgewählt, da sie auch in Mitteleuropa auf marginalen Böden kultivierbar sind und für die Nahrungs- oder Futtermittelherstellung derzeit keine Bedeutung haben; als besonders groß wird hier das Potenzial von Tallöl eingeschätzt, das bei der Zellstoffproduktion anfällt. In einem zweiten Projektschwerpunkt entwickelten die Wissenschaftler geeignete Verfahren, um die Öle zu verschiedenen Synthesebausteinen zu verarbeiten. Forscher der Pilotanlage des Fraunhofer IGB am Standort Leuna und die industriellen Projektpartner skalierten die entwickelten Verfahren bis in den Technikumsmaßstab. Zu den besonders vielversprechenden Verfahren gehören die Herstellung von Biokatalysatoren durch Eucodis Bioscience und die Universität Halle-Wittenberg, die Synthese chemischer Katalysatoren durch den Materialtechnologie-Konzern Umicore sowie die mikrobiologische Herstellung langkettiger Dicarbonsäuren, die chemisch katalysierte Metathese zur Synthese langkettiger Dicarbonsäureester und die enzymatische Epoxidierung verschiedener Pflanzenölderivate. Was die Eignung der Pflanzenöle betrifft, hat sich das Öl aus dem Iberischen Drachenkopf aufgrund des herausragend hohen Anteils mehrfach ungesättigter Fettsäuren als besonders interessant für den Einsatz in Polymerapplikationen erwiesen. Erucasäurereiche Öle aus Senf, Krambe oder Erucaraps lassen sich gut im Schmiermittelbereich verwenden. Für die chemische Herstellung von Dicarbonsäureestern wiederum eignen sich Pflanzenöle mit einem hohen Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren am besten. Sie sind beispielsweise im Öl der High-Oleic-Sonnenblume enthalten. Die Begleitforschung zeigte aber auch, dass für eine wirtschaftliche Nutzung bei einigen dieser Kulturpflanzen noch Züchtungsbedarf besteht, um etwa den Ölgehalt und Kornertrag zu erhöhen oder Krankheitsresistenzen zu etablieren. Um die pflanzenölbasierten Bausteine wirtschaftlich herstellen zu können, ist zudem die Verwertung anfallender Nebenprodukte wünschenswert, beispielsweise durch Nutzung in der Futtermittelindustrie. Hierfür müssen die Nebenprodukte von Drachenkopf, Krambe und Koriander in die Positivliste für Futtermittel aufgenommen werden.
Die Teilprojekte im Einzelnen
Zur Herstellung der Dicarbonsäuren, etwa der langkettigen 1,18-Octadecendisäure, gelang es dem Fraunhofer IGB, mehrere geeignete Hefestämme zu identifizieren. Derzeit erfolgt eine umfangreiche Charakterisierung und Optimierung ausgewählter Hefestämme mit dem Ziel, einen Produktionsstamm mit hohen Raum-Zeit-Ausbeuten zu erhalten, der für die industrielle Produktion geeignet ist. Umicore und das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT (IBB-Netzwerkmitglied) untersuchten die Metathese von ungesättigten Fettsäureestern. Sie identifizierten geeignete Katalysatoren, stellten sie im technischen Maßstab her und überführten die Reaktion gemeinsam in der Pilotanlage des Fraunhofer IGB am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in den 100-kg-Maßstab. Für die biotechnische Epoxidierung konnten die Forscher des Fraunhofer IGB und des Partners Eucodis mehrere Lipasen identifizieren und in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg rekombinant herstellen. Mit Hilfe dieser Lipasen ließen sich Epoxide aus Pflanzenölen, freien Fettsäuren, Fettsäuremethylestern, Dicarbonsäuren und langkettigen Alkenen im Labor herstellen. Nach Identifikation geeigneter Kennzahlen zur Maßstabsübertragung konnte das Fraunhofer IGB die Epoxidierung auch erfolgreich im Technikumsmaßstab umsetzen. Diese Arbeiten bieten eine hervorragende Basis, um die Verfahren weiter in den industrienahen Maßstab zu übertragen. In Zusammenarbeit mit Eucodis wurde außerdem die Eignung hochaktiver Lipasen zur Hydrolyse und Umesterung verschiedener Pflanzenöle und Herstellung unterschiedlicher Syntheseester gezeigt. Der Projektpartner Hobum Oleochemicals optimierte Verfahren zur chemischen Epoxidierung und entwickelte Prozesse zur Herstellung von Polymeren auf Basis der Pflanzenölepoxide und hydrophoben Beschichtungen. Darüber hinaus konnten die Industriepartner DHW und Addinol Lube Oil in enger Zusammenarbeit Polyolester auf Basis von Senföl erfolgreich im Pilotmaßstab entwickeln und deren Eignung als Biohydrauliköle vom Typ HEES oder als schwerentflammbare Hydrauliköle vom Typ HFDU zeigen. Weiterhin erarbeiteten sie die Voraussetzungen für die Formulierung von Emulsionstrennmitteln für Beton auf Pflanzenölbasis. Um auch das bei der Gewinnung von Fettsäurederivaten und Syntheseestern anfallende Nebenprodukt Glyzerin zu verwerten, untersuchte Linde Engineering dessen Konversion in Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff zur Nutzung in chemischen Prozessen im Pilotmaßstab. Zusätzlich entwickelte und optimierte die Firma Taminco die Aminierung von Glyzerin. Vervollständigt wurden die untersuchten Ansätze für ein Pflanzenöl-Bioraffinerie-Konzept durch eine entwicklungsbegleitende ökonomische und ökologische Bewertung vom Anbau der Rohstoffe über die untersuchten Verfahren bis hin zum ausgewählten Produkt durch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die TLL sowie Betrachtungen zur möglichen stofflichen und prozesstechnischen Integration am Chemiestandort Leuna durch die InfraLeuna GmbH. Liste der Teilprojekte, Projektpartner und Förderkennzeichen (Download). Quelle: FNR/PM2015 – 36