In den mannigfachen Lebensräumen, die unser Planet zu bieten hat, mussten im Laufe der Zeitgeschichte viele Lebensformen auf engstem Raum miteinander auskommen. Die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie und von der Universität Jena sehen in der Entstehung mikrobieller Lebensgemeinschaften ein perfektes Modell um den Vorgang der Umweltanpassungen vieler anderer Lebewesen besser zu verstehen — auf genetischer, wie auch aus ökologischer Sicht.
Bakterien sind voneinander abhängig
„Egal, wo man hinschaut: Überall gibt es mikrobielle Lebensgemeinschaften, die an ein und demselben Standort miteinander leben“, so Christian Kost, Leiter der Forschungsgruppe „Experimentelle Ökologie und Evolution“ des Max-Planck-Instituts. Bakterien gehen nicht nur mit höheren Lebewesen Gemeinschaften ein, sondern verpartnern sich bevorzugt auch mit ihresgleichen. In vielen Mikroben-WGs sind die verschiedenen Bakterienstämme aufeinander angewiesen. Sie sind ohne ihre Mitbewohner nicht in der Lage alle Stoffwechselfunktionen alleine aufrecht zu erhalten. In solchen Fällen stellt der Partner etwa den fehlenden Nährstoff zur Verfügung. Das zeigten die Biologen in ihren Modellversuchen.
Modell-WG aus dem Reagenzglas
Natürliche Lebensgemeinschaften im Labor nachzuahmen, ist ein schwieriges Unterfangen. Deshalb griffen die Forscher in die Biotech-Trickkiste und entwarfen ihre eigene Bakterien-WG mit wechselseitiger Abhängigkeit der Mitbewohner. Einem E.coli-Stamm wurde gentechnisch die Fähigkeit genommen, Tryptophan herzustellen, alle anderen Aminosäuren konnten die Bakterien dagegen in hohen Mengen produzieren. Einem weiteren Stamm fehlte die Funktion zur Arginin-Synthese. Die Stämme versorgten sich nicht nur gegenseitig. Interessanterweise wiesen sie eine Fitness-Steigerung um 20 Prozent und ein schnelleres Wachstum auf als der Vergleichsstamm, ein E.coli-Wildtyp, der völlig autark lebensfähig war. Der Mangel, eine essenzielle Aminosäure nicht mehr selbst herstellen zu könnten, wirkte sich also bei Anwesenheit eines kooperierenden Partners positiv auf deren Wachstum aus. Erklärt werden kann dies mit dem weit geringeren Energieaufwand, den beide Einzelstämme in die Produktion der ausgetauschten Aminosäuren investieren müssen. Durch eine Spezialisierung auf die Produktion bestimmter, aber eben nicht aller notwendigen Aminosäuren wurden die Bakterienzellen effektiver und konnten dadurch schneller wachsen.
Erkenntnisse zur Mikrobenevolution
Die Ergebnisse der Forscherguppe um Christian Kost verdeutlichen, warum Symbiosen mit Bakterien so weit verbreitet sind. Im Laufe der Evolution verbinden sich die beteiligten Partner dabei oft so eng miteinander, dass sie zu einem neuen, vielzelligen Organismus verschmelzen. Aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit der Organismen jedoch werfen diese Ergebnisse neue Fragen bezüglich der positiven Selektion auf. Passt diese Annahme zu Darwins Theorie des Survival of the fittest? Wenn ja, dann müsste die Fitness der kooperierenden Partner mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser sein als die von Mikroben, die ohne Partner auskommen müssen. Quelle: biotechnologie.de